Samstag, 29. August 2015

Lebensmittel und Mahlzeiten - was ist heute noch normal?

Heute ein paar Gedanken zu "normalem" Essverhalten, was Lebensmittel und ein gesundes Essverhalten damit zu tun haben...

Dass etwas schief läuft mit den Lebensmitteln, die heute in Supermärkten verfügbar sind, und generell mit dem Essverhalten in der westlichen Welt, wird deutlich an den konstant steigenden Raten übergewichtiger Menschen.

Auch früher gab es schon fettleibige Menschen, soviel steht fest. Ein Beispiel ist Daniel Lambert, im 18. Jahrhundert der dickste Mann Englands. Er wog rund 335 Kilo:

Daniel Lambert. Quelle

Aber heute verändert die Industrie ganz bewusst die Zusammensetzung der Lebensmittel und steuert so das Essverhalten der gesamten westlichen Gesellschaft- solange dieses System und die Inhaltsstoffe nicht hinterfragt werden. Die Lebensmittelindustrie spielt seit Jahrzehnten mit den Urinstinken des Menschen im Hinblick auf das Essverhalten. Der Industrie hat die westliche Gesellschaft auch die Übergewichts-Epidemie zu verdanken. Bewegung hat gemäß der neusten Erkenntnisse nur geringfügigen Einfluss darauf [Quelle].

Die Lebensmittel sind heute derart verändert, dass es schwer ist, ein normales Essverhalten damit aufrecht zu erhalten- geschweige denn, ein gestörtes wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Nicht nur der Einsatz von Farb- und Konservierungsstoffen, Geschmacksverstärkern, Zuckerstoffen oder gentechnisch veränderten Bestandteilen haben Einfluss auf das Essverhalten, sondern auch die Zusammensetzung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen steigert den Appetit und das Verlangen nach immer mehr Essen weit über die Befriedigung des eigentlichen Hungers hinaus.

Auch die ständige Verfügbarkeit von Nahrung und die Auflösung der Nahrungsmittelaufnahme in Form von einstmals fest im Alltag verankerten Mahlzeiten zeigt, dass der Rat nicht ernstgenommen werden kann. Wenn man immer essen würde, was man will und wann man will, wäre ein Ausbrechen aus dem Teufelskreislauf der Bulimie kaum möglich.

Auch aus der Forschung ist seit kurzem bekannt, dass weniger, dafür aber größere Mahlzeiten, sich auch positiv auf das Gewicht und den Blutzuckerspiegel auswirken. Für Menschen, die mit einer Bulimie kämpfen, ist es enorm wichtig, keine extremen Gewichtsanstiege bei normalisiertem Essverhalten fürchten zu müssen. Diese Angst muss ernstgenommen werden. Bei entsprechendem normalgewichtigem Hintergrund sind entsprechende Mahlzeitenstrukturen mit langen Pausen zwischen den Mahlzeiten durchaus vertretbar. Eine Normalisierung des Blutzuckers ist ebenso wichtig, um körperlich bedingte Essanfälle zu vermeiden. [Quelle] (Mehr über den Glykämischen Index auch hier.)

Die bislang verbreitete Vorstellung einer 3-Mahlzeitenstruktur mit Zwischenmahlzeiten ist unverantwortlich und kann die Aufrechterhaltung des bulimischen Systems stützen. Die Gründe hierfür sind u.a.: ein normales Hunger-/Sättigungsgefühl kann nicht erlernt werden, weil der Magen konstant befüllt wird; zudem kann es nicht sein, den ganzen Tag ans Essen zu denken (im Sinne von "in 2 Stunden mus ich ja schon wieder essen") was einen normalen Alltag nur schwer ermöglicht. Mehr dazu, auch ausführlichere Begründungen, habe ich schon hier, hier und hier geschrieben.

Eine gute Richtlinie für eine gesunde Ernährungsweise sind Lebensmittel, die möglichst wenig weiterverarbeitet wurden und die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen. Dazu zählt vor allem frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Milchprodukte, Brot aus Natursauerteig (möglichst Vollkorn, da niedriger glykämischer Index) und Hülsenfrüchte.

Fazit: Es ist mir kein plausibler Grund bekannt, warum seit Jahrzehnten in herkömmlichen Therapien versucht wird, den Betroffenen Zwischenmahlzeiten in Form von Schokoriegeln und Fruchtjoghurts anzugewöhnen. Nur weil scheinbar „die Normalesser“ das so handhaben, muss es noch lange nicht gut sein. Genauso wie Veganer oder andere, auf gesunde Ernährung bedachte Menschen, als Orthorexier verschrien werden und versucht wird, daraus eine neue Essstörung zu machen. Ich finde es mehr als nachvollziehbar, dass ein Mensch, der sich nach Jahren der Bulimie und - im nicht nur übertragenenen Sinne - genaugenommen schwerster Körperverletzung nicht mehr jeden Industrie-Fraß einverleiben will. Aber jedem das Seine. Wer seinen Verstand nutzen möchte, der möge das bitte tun und die gängigen Ratschläge selbst hinterfragen.

Das heißt übrigens nicht, dass man doch ab und zu einfach Lust auf so etwas "Industrielles" hat und sich das dann verbieten soll. Ganz im Gegenteil.