Samstag, 28. März 2015

Das klingt ja alles ganz toll! Aber wie komme ich jetzt aus der Bulimie raus?

Wow. So viele Emails haben mich in den letzten Wochen erreicht, dass ich nun endlich diesen klärenden Artikel schreiben muss.

Die Emails gleichen sich nämlich immer sehr. Das steht in etwa drin: 
"Johanna, vielen Dank für deinen tollen Blog. Er hilft mir sehr. Ich habe nun seit xy Jahren Bulimie und wollte dich fragen, wie ich mit den FAs endlich aufhören kann! Was soll ich bloß machen?" 
Solche Nachrichten rütteln mich auf. Ich denke mir dann, dass meine Artikel euch zwar zu helfen scheinen, aber dass sie wenig Bedeutung für die Bewältigung der Krankheit haben.Vielleicht sind sie eher eine willkommene Abwechslung und hilft beim Perpektivenwechsel? Ich weiß es nicht, kann es nur erahnen. Aber egal wie es wirklich ist: Heute bekommt ihr den ultimativen "Tipp".

Wie kommt man also aus der Bulimie raus?

Ich sehe zwei große Schritte, die man gehen muss:

1. FAs als Gewohnheit

Einerseits bin ich davon überzeugt, dass die bulimische Symptomatik, die in erster Linie die Essanfälle betrifft, eine Gewohnheit ist, die durch die wiederholte "Ausübung" entsteht. Um die Bulimie loszuwerden, muss man also diese Gewohnheit loswerden und sie mit anderen Gewohnheiten ersetzen- die neu erlernt werden müssen. Irgendwann ist die Gewohnheit in Form von neuronalen Netzen im Gehirn dann nur noch so schwach vorhanden, dass die Symptomatik immer weiter verschwindet, bis sie irgendwann ganz erlischt. Dann ist der Drang nach FAs verschwunden. Es geht also im Wesentlichen darum sich klarzumachen, dass FAs hauptsächlich aufgrund ihrer gehirnchemisch energiesparenden Eigenschaft vom Gehirn als Handlungsoption bevorzugt werden, darum immer wieder ausgeübt werden- auch weil sie belohnenden Effekt haben (Beruhigung, positive Gefühle durch Bestandteile der Nahrung, etc.).

2. FAs verhindern um die bulimische Gewohnheit zu überschreiben

Andererseits geht es darum, eben diese neuronalen Netze der Gewohnheit zu "überschreiben". 
Dazu müssen folgende Schritte erfolgen:

- 1.) der Drang nach dem FA bewusst als solcher wahrgenommen
- 2.) eingeordnet (analysiert) 
- 3.) und "verabschiedet" werden. 

Wie ihr seht, sind das 3 Schritte. Ein FA hat natürlich immer einen Grund, eine Ursache- wobei auch so etwas Banales wie Langeweile oder Mangel an Alternativen Grund genug sein kann. Ich sage nicht, dass ein FA keinen Zweck erfüllt. Das würde für das Gehirn keinen Sinn ergeben. Das Gehirn versucht im Normalfall, ein emotionales Gleichgewicht herzustellen, und solange man z.B. traurig ist und keine alternative Handlungsoption bereit hält außer den FA und man gleichzeitig nur wenig Willenskraft hat, um sich mit seiner emotionalen Situation zu befassen, ist der FA aufgrund seiner energiesparenden und serotoninausschüttenden Eigenschaft beinahe unausweichlich. 

Es gibt verschiedene Methoden, wie FAs verhindert und stattdessen neue Handlungsoptionen gelernt werden können. Dabei müssen immer die 3 obigen Schritte enthalten sein. Eine gute Methode ist z.B. "Surfing the Urge", verschiedene Meditationstechniken oder Methoden zur Achtsamkeit. Ich denke, es gibt hier kein Allheilmittel, sondern jeder sollte selbst nach Methoden suchen, die für ihn gut funktionieren. Für mich war es z.B. auch das Lesen antiker Philosophen wie Seneca, die mir dabei geholfen haben, meinen Alltag zu entschleunigen, Gedanken bewusster wahrzunehmen und letztlich auch bewusst auf aufkommende Impulse reagieren zu können.

Ok, aber.... Welche Rolle spielt dabei jetzt die Ernährung?

Die Ernährung klinkt sich bei Punkt 2- FAs verhindern um die bulimische Gewohnheit zu überschreiben- ein. Ich denke es erscheint plausibel, dass gewisse Nahrungsmittel einfach viel besser als manche andere dafür geeignet sind, FAs zu verhindern. Einige Lebensmittel wie Süßigkeiten und Weißmehlprodukte schicken den Blutzucker auf eine Achterbahnfahrt und sollten daher tatsächlich nur in Maßen gegessen werden, weil sie den FA-Drang enorm verstärken können. Dasselbe gilt für sämtliche Fertiggerichte in denen Konservierungsmittel enthalten sind, die Einfluss auf den Sättigungsmechanismus haben können.

Auf Nährstoffdichte achten

Ansonsten ist es auch enorm wichtig zu wissen, welche Lebensmittel wirklich gesund im Sinne von nährstoffreich sind (Stichwort "Aggregate Nutrient Density Index"). Im Allgemeinen solltet ihr euch damit beschäftigen, wieviele Nährstoffe im Sinne von Mineralien, Vitamine, etc. eure Nahrung enthält. Dass die richtige Ernährung elementar fürs Wohlbefinden ist wisst ihr eh schon.

Wieviele Mahlzeiten? 

Auch die Anzahl der Mahlzeiten spielt bei der Vermeidung von FAs eine wesentliche Rolle. Je mehr Mahlzeiten man zu sich nimmt, desto kleiner sollen die Mahlzeiten ausfallen, desto eher kann man sich nicht satt essen. Man kann sich nicht 5 Mal am Tag im Sinne von 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten satt essen. Sich satt essen zu können und zu dürfen spielt jedoch eine wesentliche Rolle in der Wiederentdeckung des Sättigungsgefühls, das bei der Bulimie verloren gegangen ist. Das ist sehr viel einfacher bei nur 3 Mahlzeiten mit ausreichend langen Pausen (4-5 Stunden), in denen bewusst nicht gegessen wird. So wird einerseits das Hunger- aber auch das Sättigungsgefühl wiederentdeckt und ausgebaut. 

Die Pausen können selbstverständlich am besten eingehalten werden, wenn die Zusammensetzung der Mahlzeiten gut beschaffen (im Sinne von ballaststoffreich und niederglykämisch) sind.