Samstag, 8. März 2014

3 Tipps, wie du mit dem Sport anfangen kannst.

Anmerkung vorab: Diese Tipps bringen besonders typischen Bulimikern mit Normalgewicht etwas, die das Ding mit dem Sport mal "durchziehen" und sich mehr bewegen wollen. Das soll keine Anregung dafür sein, es mit dem Sport zu übertreiben.


Setz dir kleine Ziele. 
Es ist besser, 500 Meter ganz langsam zu laufen und dranzubleiben, als sich gleich 2 Kilometer vorzunehmen und dann nach 100 Metern entnervt aufzugeben. Ich habe mir ehrlichgesagt gar nichts vorgenommen, als ich mit dem Laufen begonnen habe, sondern habe mir einfach gesagt, dass ich mal "schaue". So habe ich es geschafft, nach eineinhalb Jahren an einem Halbmarathon teilzunehmen, ohne dass das von Anfang an geplant gewesen wäre (wahrscheinlich habe ich nicht im Traum daran gedacht).

Belohne dich für das Erreichen dieser Ziele. 
Das Ziel könnte am Anfang sein, 3 Mal in der Woche Sport zu machen und es durchzuhalten. Wenn du das schaffst, könntest du dir beispielsweise nach 2 Wochen eine neue Laufmütze oder eine neue Laufhose kaufen.

Mach Sport immer zur gleichen Uhrzeit. 
Willenskraft ist eine begrenzte Größe (das wurde wissenschaftlich belegt). Es ist also schwierig, Sport zu machen, wenn man es den ganzen Tag vor sich herschiebt, denn am Abend hat man dann ganz einfach nicht mehr die Disziplin, um sich dazu zu "zwingen". Besser, du suchst dir eine Tageszeit (ich mache Sport immer morgens direkt nach dem Aufstehen) und hältst dich daran. Wenn du es schaffst, dich anzuziehen und aus dem Haus zu gehen, ist der schwierigste Teil schon geschafft. Außerdem kannst du beispielsweise schon am Abend deine Laufklamotten für den Morgen bereit legen, so dass du nach dem Aufstehen direkt mit dem Sport anfangen kannst. Der Vorteil der gleichen Uhrzeit liegt ganz einfach darin, dass du es irgendwann einfach automatisch machst und gar nicht mehr daran zu denken brauchst. 

Sonntag, 2. März 2014

Wie lassen sich Essanfälle wirklich dauerhaft verhindern?

Vor einiger Zeit, 2012, habe ich den Artikel "6 Wege, um Fressanfälle zu verhindern" geschrieben. Heute soll es darum gehen, wie ihr dauerhaft von FAs loskommen könnt, und sie nicht nur kurzfristig verdrängt. Die Vorgehensweise, die ich hier beschreibe, hat auch bei mir funktioniert- wenn auch über viele Umwege, weil ich diese Theorie bezogen auf die Bulimie damals nirgendwo nachlesen konnte, sondern sie mir aus vielen verschiedenen philosophischen Ansätzen, neurologischen Erkenntnissen, psychologischen Methoden etc. heraus erarbeitet habe.

Das Ganze basiert auf dem Gedanken, dass ein FA nicht viel mehr ist als eine schlechte Verhaltensweise, die sich irgendwann in der Vergangenheit- also dem Beginn eurer Bulimie- so bei euch eingefahren hat, und eben in sehr vielen Fällen nicht die Spitze eines Eisbergs ist, der aus einem Haufen emotionalem Ballast besteht. Es geht bei der Heilung also zunächst darum, sich dieses automatisierte "Fehlverhalten" abzugewöhnen. Man kann das auch mit anderen Süchten, beispielsweise dem Rauchen, vergleichen. Durch das Rauchen sind im Gehirn neue neurologische Strukturen entstanden, die man sich wie Autobahnen vorstellen kann. Man muss nun neue Routen bauen, indem man sich neue Verhaltensweisen angewöhnt. Wie lange das dauert, ist individuell verschieden, aber man kann mit einer Dauer zwischen ca. 3 Wochen und 8 Monaten rechnen. Dann sind die neuen Routen "befahrbar", die neuen Verhaltensweisen haben sich also tief genug ins Gehirn eingegraben, dass sie dauerhaft tragfähig sind und die alten Routen ablösen. In diesem Zusammenhang kannst du dir auch einmal die Studie des University College London ansehen, wo im Jahr 2009 96 Teilnehmer untersucht wurden, die ihr Verhalten ändern wollten. Dort ergaben sich die o.g. Zeiträume, in denen eine stabile Verhaltensänderung erreicht werden konnte.

Die Frage ist aber nun: Wie überbrücke ich diese schwierige "Neubauphase"?
Im Grunde liegt die Antwort auf der Hand, und vielleicht hast du selbst schon mal darüber nachgedacht: indem du deine Gedanken bewusst wahrnimmst. Das kann man üben, und nach einer Zeit geht das auch ziemlich leicht. Ich habe es geübt, indem ich wirklich alles gedanklich nachverfolgt habe. Sicherlich geholfen hat mir dabei auch, dass ich irgendwann (nachdem ich schon keine bulimischen Symptome mehr hatte) mal darauf geachtet habe, kein zusammenhangloses Zeug mehr zu reden. Das war nämlich zu gewissen Zeiten recht nervig und für Außenstehende anscheinend auch ziemlich verwirrend. Zusätzlich bin ich in Berührung mit der stoischen Philosophie gekommen und habe die Gelassenheit für mich entdeckt, und habe versucht, sie als konstanten Bewusstseinszustand für mich zu "etablieren". Das kann man nur schaffen, indem man wirklich jeden einzelnen Gedanken durchleuchtet, und da fallen negative Gedanken dann eben recht schnell auf. Was ich damit sagen will: wenn du einen FA bekommst, dann kündigt er sich vorher immer in Gedanken an. Das kann beispielsweise ein immer wiederkehrender Gedanke wie "ich will dringend ein Stück Kuchen" bis hin zu "heute darf ich auf gar keinen Fall einen FA haben" sein.

Der nächste Schritt nach dem bewussten Wahrnehmen des Gedankens, wie beispielsweise also dem "heute darf ich auf gar keinen Fall einen FA haben" wäre dann, diesen anders zu formulieren, und zwar ins Positive. Indem du immer daran denkst, was du NICHT willst, verstärkst du den Drang danach nämlich umso mehr. Du kennst sicherlich auch diese Werbung mit dem Überraschungsei und den Kindern, die versuchen müssen, das Ei nicht zu essen (Ferrero hat das natürlich nicht erfunden, sondern die Idee aus einer älteren Studie übernommen...). Was machen die Kinder? Sie denken die ganze Zeit nur an das Ei. Das Gleiche ist der Fall bei "Denk nicht an den weißen Elefanten". Wenn du es schaffen willst, keinen FA zu haben, dann denk nicht "Ich darf keinen FA haben", sondern z.B. "Ich esse heute das, was mein Körper braucht". Diese Vorgehensweise, Gedanken bewusst wahrzunehmen und zu hinterfragen, findet sich in vielen anderen Techniken wieder, u.a. bei NFP, The Work, etc. Im Grunde geht es tatsächlich immer um dieselbe Sache: Gedanken bewusst wahrnehmen (dazu gehört aber eben auch die Bereitschaft, denken zu wollen) und anschließend entsprechend zu handeln. Man findet hier auch wieder das alte Mantra "Wir sind, was wir denken....". Es ist unausweichlich- wenn man die Bulimie loswerden will, muss man anfangen zu denken.

Ich hoffe, das Beschriebene ist einigermaßen verständlich- und wie gesagt, sobald ich wieder etwas mehr Zeit habe, werde ich euch hoffentlich ein kompakteres und überschaubares Modell dazu nachliefern.

Der Vorteil dieser "Methode" ist, dass man sich nicht therapeutisch in tiefenpsychologische Rückblicke verstricken muss, man muss nicht in seiner Kindheit graben, in der "Hoffnung", dort irgendeinen Hinweis zu finden, und man muss sich auch nicht ständig fragen, was bei einem selbst alles sonst nicht stimmt. Nein, in den meisten Fällen sind Bulimiker völlig normal. Ich halte es (mittlerweile) für sehr gefährlich, Betroffenen immer das große Emotionsproblem aufdrücken zu wollen, das es in Wirklichkeit so möglicherweise gar nicht gibt. Irgendwann glaubt jeder, er sei verrückt, solange man es ihm nur lang genug eintrichtert. Ich hätte es mir damals sehr gewünscht, jemand hätte mir diese Sichtweise eröffnet, dann wäre mir auch nach der Bulimie so einiges erspart geblieben. Denn so war ich eine lange Zeit der Meinung, ich sei nicht "normal" und ich hätte noch nicht alles bearbeitet, was da noch im Argen liegt. Dieser Gedanke kann ganz schön irritieren, auch mit einem gesunden Selbstbewusstsein. Wenn seelische Probleme auftreten, dann meiner Erfahrung nach eher aufgrund der Bulimie, und nicht als deren Auslöser.

9 Mythen über Bulimie - und was wirklich stimmt

Viele der hier aufgezählten Punkte habe ich heute das erste Mal überhaupt so formuliert. Oft muss ich mich bei solchen verallgemeinernden Dingen daran erinnern, wie es bei mir damals war. Ich habe immer versucht, mir die Bulimie als ungesunde Verhaltensweise vorzustellen, und neurologische Funktionsmuster gesucht, die das bulimische Verhalten erklären. Ich hoffe, all die verschiedenen Aspekte, in nicht allzu ferner Zukunft einmal in einer allgemeinverständlichen Grafik zusammenfassend darstellen zu können.
Vorerst also dieses kleine Sammelsurium, und ich hoffe, es hilft euch weiter.
  1.  "Süßigkeiten gehören zu einem normalen Essverhalten dazu!"
    • Um normal zu essen, MUSST du keinen ZUCKER und keine Süßigkeiten essen! Süßigkeiten sind zwar "normal" im Sinne von dem, was der durchschnittliche Mensch so isst, aber in der ersten Phase deiner Heilung solltest du darauf verzichten.
  2. "Disziplin hat mit der Heilung von Bulimie nichts zu tun!"
    • Die erste Phase besteht aus Disziplin. Du solltest dich an die Essensvorgaben halten, damit dein Gehirn neue Verhaltensweisen erlernen kann. Dies hat neurologische Gründe, die es dir später erleichtern, fast mühelos normal zu essen.
  3. "Du hast ein psychisches Problem, die Bulimie ist nur das Symptom."
    • In den meisten Fällen ist mit dir tatsächlich alles ok. Fakt ist, dass JEDER Mensch irgendwelche Probleme und Ungereimtheiten mit sich selbst oder seiner Vergangenheit hat. Aber nicht alle werden bulimisch. Ich selbst habe lange geglaubt, ich hätte ein großes emotionales Problem, und die Bulimie sei nur die Ursache dessen. Diese Theorie hat ernsthafte Risiken: denn wenn du nicht weißt, was dein "richtiges" Problem ist, und dir die Therapie auch nicht dabei hilft, es zu "finden", dann wirst du immer wieder zur Bulimie zurückkehren, weil dein echtes Problem ja (scheinbar) nicht bearbeitet ist. Du bist scheinbar psychisch richtig krank, weißt aber nicht, warum und woran das liegt. Allein die Vorstellung, psychisch krank zu sein, kann psychisch krank machen- das ist die sog. selbsterfüllende Prophezeiung. 
  4. "Du wirst dein Leben lang ein "trockener" Bulimiker sein."
    • Essen ist an sich keine suchtauslösende Substanz. Das Problem bei Bulimie ist, dass das Gehirn mit der Zeit erlernt hat, dass es sich durch Essen besser fühlt und daher immer und immer wieder nach der "Droge" Essen verlangt. Es gibt daher nur eine Änderung des Verhaltens, denn im Gegensatz zum Alkohol kann kein Mensch ohne Essen auskommen. An dieser Stelle sagen viele: "... und darum ist es auch so schwierig, von der Bulimie loszukommen, denn im Gegensatz zum Alkohol MUSS man essen und ist ständig mit dem Suchtstoff konfrontiert." Wenn das stimmen würde und man wirklich die Aussicht hätte auf eine lebenslanges Risiko, dann könnte wahrscheinlich niemand dauerhaft von Bulimie geheilt werden, denn wie wir heute wissen, ist die Willenskraft / Disziplin begrenzt. Man kann sich nicht tagelang disziplinieren, zusammenreißen und selbst kontrollieren. Denn die Wilenskraft ist wie ein Glas Wasser, das über den Tag aufgebraucht wird. Trinkt man morgens schon viel, dann bleibt für den Rest des Tages weniger übrig. Neue Verhaltensweisen entstehen im Gehirn durch ständige Wiederholung und irgendwann wählt man die Verhaltensweise automatisch. Ich muss beim Schuhebinden nicht mehr darüber nachdenken, welchen Schnürsenkel ich wie halte und binde, damit alles hält. Es funktioniert automatisch und kostet mein Gehirn so sehr wenig Energie. Genauso ist es auch mit der Heilung von Bulimie. Irgendwann ist der alte Weg "FA" nicht mehr da, weil er nicht mehr befahren wird, er ist unsichtbar und damit ungefährlich.
  5. "Irgendwann ist man zu alt oder hat zu lange Bulimie, um geheilt zu werden." 
    • Bereits in den 2000er Jahren wurde bewiesen, dass das menschliche Gehirn ein Leben lang in der Lage ist, sich neuen Anforderungen anzupassen. Genau DAS ist es, was einen überlebensfähigen Menschen gemäß Darwin nämlich ausmacht: nicht der stärkste, sondern der anpassungsfähigste Mensch überlebt. Und zwar durch die Bereitschaft, sein Gehirn zu fordern und sich wechselnden Gegebenheiten anzupassen. Die wechselnde Gegebenheit im Falle eines Lebens ohne Bulimie ist es, die bulimischen Symptome aufzugeben und sich den Herausforderungen des Alltags aktiv zu stellen. Lebenslanges Lernen ist im Grunde nicht sehr verschieden zu einer Verhaltensänderung, denn auch hier müssen neue Bahnen im Gehirn entstehen.
  6.  "Das Essen ist nicht das Problem."
    • Zuckerabhängigkeit, oder Abhängigkeit von Weißmehlprodukten; evtl. (beginnende) Insulinresistenz (reversibel!) ist ein zentrales Problem der Bulimie. Durch den gezielten Ausgleich des Nährstoffmangels bei Bulimie und die Verhaltensänderung kann sie geheilt werden. Darum ist die Wahl der Lebensmittel auch so wichtig, wenn man den Teufelskreis durchbrechen will. 
  7.  "Die Gefühle sind das Problem."
    • Alle Gefühle werden von uns bewertet - durch Gedanken. Du kannst deine Gedanken wieder unter Kontrolle bekommen! Jeder FA wird von bestimmten, wiederkehrenden, scheinbar zwanghaften Gedanken angekündigt. Du kannst lernen, diese Gedanken zu kontrollieren.
  8. "Du darfst dir keine Lebensmittel verbieten. Du musst alles essen können."
    •  Im Hinblick auf die Zucker-Übersensibilität stimmt das einfach nicht. Ich kann dir dazu das Buch "Zucker und Bulimie" empfehlen. In der ersten Phase, den ersten Monaten, solltest du wirklich auf Zucker- und Weißmehlprodukte verzichten. Verzichte auch darauf, dich zu "testen". Das bringt dich nur unnötig unter Druck, geht meistens (früher oder später) schief und hilft dir nicht weiter.
  9. "Normal zu essen heißt, das zu essen, was alle anderen auch essen."
    • Was bedeutet "normal essen" für dich? Morgens zum Frühstück Weißmehlbrötchen mit Marmelade, ein Käsebrot und Mittags Spaghetti mit Tomatensoße, und abends wieder das Käsebrot, so gut wie kein Obst und Gemüse, und wenn, dann wirst du von Familienmitgliedern oder anderen fast schon beschimpft, du würdest "zu gesund" essen? Um die Bulimie wirklich hinter dich zu lassen, musst du die Ernährungsweise für dich finden, mit der du dich wohlfühlst. Für mich gehören heute beispielsweise Obst und Gemüse selbstverständlich dazu, während ich mich während der Bulimie regelrecht dazu zwingen musste. Ich dachte, wenn ich schon etwas esse, dann muss es mir einen (Zucker-) Kick geben, sonst wäre es das nicht wert. Wenn das bei dir auch so ist, dann verurteile dich nicht dafür, sondern glaub an dich. Das kommt, wenn du ohne FAs essen kannst, fast von allein.