Samstag, 6. April 2013

Update: Eating Guidelines

Ich habe aufgrund der Nachfragen die Guidelines von Geneen Roth nochmal "rezensiert" und hoffe, ihr könnt nun mehr damit anfangen als ohne Anmerkungen. Sie waren schon recht trocken ;)

Seltsame Essgewohnheiten?

In der Übergangszeit zwischen gestörtem und völlig normalem Essverhalten gibt es ein Essverhalten, das noch nicht als ganz normal und auch nicht unbedingt als gesellschaftsverträglich bezeichnet werden kann. Ich verallgemeinere hier meine eigene Erfahrung und die Erfahrungen anderer, von deren Geschichten ich persönlich, durch den Austausch in Foren oder per Email erfahren habe.

Zwischen bulimischem Essverhalten mit Essanfällen und Erbrechen und einem völlig gesunden Essverhalten liegt eine Zeit, in der man weder richtig gesund noch wirklich gestört isst. Es gibt etliche ehemals Betroffene, die zwar ihre Essanfälle in den Griff bekommen haben aber sich trotzdem nicht so fühlen, als würden sie normal essen.

Das ist völlig okay. Niemand sollte sich selbst deshalb Vorwürfe machen oder, noch schlimmer, sich von anderen Vorwürfe machen lassen. Denn alles ist besser als weiterhin Essanfälle zu haben. Alles, was dazu führt, dass Essanfälle verhindert werden, führt dazu, den Betroffenen näher an seine Gefühlswelt heranzubringen. So kann er sich besser kennenlernen und sein Leben aktiv gestalten, anstatt sich von äußeren Umständen mitreißen zu lassen.

Um den Kern dessen, was ich hier beschreiben möchte, besser zu veranschaulichen, möchte ich euch einen Teil meiner eigenen Geschichte hierzu erzählen. Ich habe sehr lange Zeit das Frühstück als fast heilige Mahlzeit betrachtet, und habe auch große Mengen gefrühstückt. 3 Brötchen waren normal, oder 1 großes Brötchen (Seele) und ein süßes Stückchen. Und das jeden Tag, nicht nur am Wochenende. Die nächste Mahlzeit fand dann allerdings meist erst wieder gegen abends statt, da ich  mir angewöhnen wollte, wieder richtigen Hunger zu spüren. Normalerweise würden 4-5 Stunden dazu ausreichen, aber da ich auch keinen Sport gemacht habe, hatte ich schon Angst wegen der Kalorien. Ich wollte nicht mehr als 2000kcal essen. Abends habe ich dann wieder "ganz normal" gegessen, also auch eine ganze Pizza etc. Mein Gewicht konnte ich so gut halten, und ich konnte mich auch endlich in meinem Körper wohlfühlen.

Also, was ich damit sagen will: falls ihr, auch vielleicht schon längere Zeit, keine bulimischen Symptome habt, und euch euer Essverhalten trotzdem seltsam erscheint, gebt die Hoffnung nicht auf, dass es irgendwann wirklich wieder normal wird. Auch wenn ihr nur zweimal am Tag esst und vielleicht auch immer dasselbe. Das pendelt sich ein.

Ihr könnt euch selbst bei diesem Prozess unterstützen, indem ihr z.B. des öfteren ungewohnte Lebensmittel probiert, exotische Früchte oder Speisen, die ihr nur vom Hörensagen kennt. Denn ihr könnt nur Appetit auf etwas haben, das ihr schon mal gegessen habt. So kann euch euer Körper auch viel leichter sagen, was er braucht.

Irgendwann wird es tatsächlich so sein, dass ihr euch um das Essen fast keine Gedanken mehr machen müsst, und dass es ganz einfach ein Tagesordnungspunkt ist wie jeder andere. Essen kann dann trotzdem Genuss sein, und es wird super viel Spaß machen, wieder zusammen mit anderen zu essen, um Essen als verbindendes Element zu nutzen.


Montag, 1. April 2013

Interview mit Anna

Die letzten beiden Montage gab es die beiden ersten Interviews, hier kommt nun das letzte in dieser Reihe. Dieses Mal gab mir Anna Einblick in ihre Geschichte mit der Bulimie:


Inwiefern hast du mit Essstörungen zu tun- seit wann bist du betroffen? 
Ich habe seid 5 Jahren eine Essstörung, genau benennen kann ich sie nicht. Würde sagen eine Mischform, hatte aber in den ganzen Jahren verschiedene Phasen. Also Bulimie ohne brechen eine Zeit, dann Bulimie mit übergeben, paar Monate Binge Eating und jetzt seit 2 Jahren eine Mischform Magersucht und Bulimie.

Was denkst du, steckt hinter deinem Essverhalten? 
Ich denke immer noch, der Wunsch ein Gewicht zu halten, was mir persönlich gefällt, auch wenn es nicht gesund ist.

Wie würdest du einem Fremden beschreiben, warum du dich so verhältst? 
Einem Fremden beschreibe ich es oft so, dass ich eine Diät anfangen wollte und irgendwann mitten drin in der Essstörung war. Zuerst hat es mich psychisch nicht belastet, wieso auch- ich habe ja nur eine Diät gemacht, nur irgendwann hatte ich es nicht mehr unter Kontrolle. Das Thema Kalorien, nichts essen, zu viel essen, zunehmen hat mein ganzes Leben so eingenommen, dass ich meine Freunde verloren habe, mich total isoliert habe, an nichts mehr Spaß hatte. Jeden morgen das wiegen. Die Zahl auf der Waage bestimmt, ob der Tag gut ist oder schon gelaufen. Ich kann nicht einfach wie früher essen ohne danach nicht dauernd daran zu denken. Es ist einfach eine Sucht. Ich kann einfach nicht anders, ich würde gerne meinen Kopf ausschalten und diese ganzen Gedanken löschen. Es dreht sich alles ums Essen, dass würde ich gerne ändern.

Was hindert dich daran, "normal" zu essen? 
Daran hindert mich keiner. Ich esse relativ viel also normal 1500Kalorien und halte damit mein Untergewicht ohne zuzunehmen, aber selbst dann fällt es mir oft schwer mich nach dem essen nicht zu übergeben, weil ich immer Angst habe ich könnte doch zunehmen. Und das ist auch der Grund, wieso ich Angst habe mehr zu essen weil ich Angst habe zuzunehmen. Das Essen essen ist leicht, Mund auf Essen rein aber die Gefühle danach aushalten- das ist das schwere. Ich fühle dann so eine große Angst ich kann es gar nicht beschreiben. Es hört sich krank an und das ist es auch.

Was würdest du machen, wenn du morgen aufwachen würdest und du könntest auf einmal ganz normal essen? Was würde sich in deinem Leben verändern? 

Ich weiß nicht was sich verändern würde. Ich wünsche mir oft es ist wie früher. Das schlimme ist ja nicht das Essen, ich esse gerne nur diese Gedanken. Und die gehen nicht weg auch wenn ich sozusagen normal essen würde, was auch immer normal heutzutage ist. Ich wünschte mir essen einfach wie früher als eine normale Sache anzusehen, man isst halt ohne sich danach großartig Gedanken darüber zu machen. Essen gehört eigentlich zum Leben dazu, aber bestimmt nicht das Leben.

Eine Essstörung betrifft ja nicht nur das Essen. Welche Dinge machst du nicht wegen der Essstörung? Bzw. anders gefragt: welche Dinge würdest du machen können, deiner Meinung nach, wenn du normal essen würdest?

Ich bin unspontan, kann nicht einfach mal mit Leuten essen gehen. Bin sehr zurück gezogen und sehr sensibel und unsicher geworden. Früher war ich Selbstbewusst, das habe ich ganz verloren durch die Essstörung. Ich muss aber sagen das ich trotz Untergewicht und der längeren Zeit der Essstörung körperlich fast nie Beschwerden habe und mich auch nicht schwach fühle. Also so körperlich kann ich nach wie vor alles machen, wie auch vor der Essstörung.
 
Hattest du konkret aufgrund des Essverhaltens schon einmal Angst um dein Leben? Was ist genau passiert? 
Ich hatte schon mehr mal das Gefühl wenn ich abends im Bett lag zu sterben, weil ich sehr schwach war und Herzrasen hatte und ich dachte mein Körper macht schlapp. Aber wie gesagt das war in den ganzen Jahren eher selten.

Was würdest du jemandem sagen, der gerade dabei ist, in eine Essstörung abzurutschen, aber noch umkehren kann? 
Ich würde ihm sagen das wenn man abnehmen will, eine Ernährungsumstellung und Sport machen sollte. Dass, wenn man erstmals in der Essstörung ist, es nie wieder wie früher sein wird. Ich bin der Meinung, ich werde irgendwann mit der Essstörung leben können, aber einmal essgestört immer essgestört, und frei wie früher essen und auch leben werde ich nie wieder können. Also würde ich jedem das so erzählen, und dass die meisten auch Depressionen haben- und gerade psychisch geht es fast jedem schlecht und das wegen paar Kilos, die die meisten am Anfang abnehmen wollen- ist es das wert? Mit Sicherheit nicht.

Vielen Dank, Anna. Ich glaube auch, dass du es aus der Essstörung schaffst! Hab Vertrauen in dich ;)