Mittwoch, 6. März 2013

Das Recht auf schlechte Laune

Wenn ich zurück denke an die ersten symptomfreien Jahre, muss ich sagen, war das eine schwere Zeit. Ich hatte damals noch diese Vorstellung, es allen recht machen zu müssen und irgendwie "konstant" zu sein. Und vor allem: konstant gut drauf zu sein. Im Nachhinein muss ich sagen: es wäre für mich und die anderen besser gewesen, wenn ich mir erlaubt hätte, mal nach außen hin sichtbar schlecht drauf zu sein. Denn es ist mit der schlechten Laune wie mit der eigenen Meinung: wenn man immer nur konform geht mit den anderen - und gut drauf zu sein ist irgendwie das, was anscheinend erwartet wird - dann führt es unweigerlich dazu, irgendwann als eigenständige Person nicht mehr wahrgenommen zu werden. Man geht unter in all den lächelnden Fassaden, den eintönigen Meinungen, dem weichgewaschenen Geplänkel, das von allen Seiten herabprasselt.
Als ich irgendwann erkannte, dass ich sehr wohl ein Recht auf schlechte Laune habe, sozusagen ein Geburtsrecht, hat mir das mein Leben enorm erleichtert. Genauso wie das Recht, auszusehen wie ich will, und auch mal scheiße auszusehen. Mal ein bisschen mehr auf den Hüften zu haben als sonst, weil ich gerade keine Lust auf Sport habe. Mal nicht geschminkt zu sein. Mal nicht nett zu sein. Mal jemandem die Wahrheit ungeschminkt ins Gesicht zu sagen.

Update vom 26.03.2013: Dr. Arnold Retzer, Koryphäe auf dem Gebiet der Psychotherapie und Autor des Buches "Miese Stimmung" meint in Bambule auf ZDFneo (Sendung vom 07.03.2013) sinngemäß: Man muss dazu stehen können, schlechte Laune zu haben. Schlechte Laune muss man gar nicht ausleben, sie kommt auf einen zu."

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