Mittwoch, 5. Dezember 2012

"Das musste geschehen, weil immer etwas überbleibt": wie man mit seiner Geschichte positiv umgehen kann

Ich habe die Bulimie früher immer als etwas rein Negatives gesehen: es hat mich viele Lebensjahre gekostet, ich habe meinem Körper Schäden zugefügt, ich habe Freunde verloren, ich habe soziale Kompetenzen verloren.

Heute habe ich eine Sendung im Fernsehen gesehen über alte Menschen. Eigentlich ging es darum, wie man Weisheit erlangt. Es wurde untersucht, wie diese Leute das Leben gemeistert haben. Einige von ihnen hatten schlimme Schicksalsschläge hinter sich. Diese Menschen haben es geschafft, in allem Negativen auch etwas Gutes zu sehen.

Eine Frau, die nach dem Tod ihres Mannes eine international erfolreiche Fotografin wurde, hat das so formuliert:

"Zur Entwicklung von Weisheit gehören schwierige Lebensereignisse. Lebensereignisse, die die Prioritäten und Überzeugungen, die man hatte, grundlegend über den Haufen werfen. Solche Erlebnisse haben wir alle manchmal im Leben. Es gibt junge Menschen, die schon vieles erlebt haben, was sie auf den Weg der Weisheit gebracht hat.
Aber sozusagen statistisch gesehen ist es wahrscheinlich, dass sich solche Lebensereignisse im Laufe eines längeren Lebens stärker kummulieren".

Samstag, 1. Dezember 2012

Der öffentliche Körper

"Der menschliche Organismus und private Körper in seiner biologischen Qualität befindet sich auf dem Rückzug, hervor tritt der öffentliche Körper als soziale Gestalt. Homfeldt spricht vom "sozialen Brennpunkt Körper" (vgl. 1999). Dieser wird zum Objekt der Bearbeitung, innerlich wie äußerlich durch Ernährung, Training, Bemalung, Gestaltung der Körperbehaarung und Operationen, um im Spiegel der Freunde, Peers und Konkurrenten, im Wettbewerb um Anerkennung, Aufmerksamkeit und Eroberung zu wirken. Für die Natur. und Kulturprozesse der neuen gemeinschafltichen Körperbilder scheinen zwei Bereiche eine Schlüsselrolle zu spielen: die Welt der Ernährung und die Welt der Sexualität (vgl. Neumann 1993, S. 396)."

aus: Heindl, Ines: Studienbuch Ernährungsbildung: Ein europäisches Konzept zur schulischen Gesundheitsförderung. Berlin 2003, S.105

Samstag, 24. November 2012

Gehen die Hamsterbacken wieder weg?

 Ja, sie verschwinden nach einigen Wochen normalen Essens. Ich hatte früher extreme Hamsterbacken. Ein Grund, sich ohne Bulimie super hübsch zu finden :)

Mittwoch, 21. November 2012

Reihe Essen & Philosophie (Teil 1): Platon´s leichte Mahlzeit

Sehr amüsant, welche Parallelen man in der Problematik der Bulimie und den Gedanken über Essen bei den alten Philosophen findet.
Platon beispielsweise (Aristoteles und Sokrates haben sich auch viel zum Thema Essen ausgedacht, dazu zu einem späteren Zeitpunkt mehr) hatte es offenbar eingesehen, dass eine schwere Mahlzeit am Abend keine gute Nacht hervorbringen kann und man sich am Morgen niedergedrückt fühlt. Wie nach einem FA ohne Erbrechen. Ich hatte da immer Alpträume. Wenn ich geschlafen hab und nicht vorm Fernseher vor mich hin gedöst hab, was eigentlich noch schlimmer war.
Folgendes schreibt sein Gast Timotheus, der bei ihm gegessen und genächtigt hat:
"Wer beim Plato speist, befindet sich auch am folgenden Tage wohl" Und in der Tat, ein herrliches Mittel, den Tag angenehm hinzubringen, ist die Leichtigkeit und gleiche Mischung des Körpers, der, wenn er nicht durch übermäßigen Genuss zu Boden gedrückt wird, ohne Widerwillen zu jedem Geschäfte bereitwillig ist." [aus: Harald Lehmke (2007): Ethik des Essens: Eine Einführung in die Gastrosophie, Berlin, S. 45]


Samstag, 17. November 2012

Kleine Geschichte des Fast Foods

Warum isst man in westlichen Gesellschaften Fast Food, welche Hintergründe liegen dem zugrunde? Ich hab mich mal ein bisschen ins Thema vertieft und interessante Entdeckungen gemacht. Ich muss derzeit meine wissenschaftliche Arbeitsweise trainieren, darum könnt ihr davon ausgehen, dass meine Angaben auf verlässlichen Quellen basieren :)

"Fast Food kann nur gedeihen, wo Mobilität und Fluktuation positiv besetzt sind", so Christoph Wagner in seinem Buch "Fast schon Food" (Köln, 2010).
Schnelles Essen gab es schon in antiker Zeit, wie z.B. während des Kriegs (sog. "Erbswurst"). Es gab damals die Fliegenden Händler, die Bratfische, gefüllte Feigenblätter und Brot auf der Straße verkauften. Diese antiken Snacks wurden auch einfach von der Hand zum Mund gegessen, ohne Besteck und ohne Teller. In Rom gab es Pastetenbäcker, die Teigwaren verkauften.
Auch in den römischen Badehäusern gab es Garküchen, die "popinae", wo die Besucher Wein, Würstchen und Kuchen verzehren konnten. Auch in Tokio gab es bereits im 17. Jahrhundert Sushi, das man auf der Straße kaufen konnte. Auch in Mesopotamien und im mittelalterlichen Orient gab es öffentliche Garküchen.

Schon in früherer Zeit hatten die Menschen also das Bedürfnis, unterwegs etwas essen zu können. Oft resultierte es aus dem Tagesablauf und den Tätigkeiten der Menschen.

Im 18. Jahrhundert kam dann das Picknick als neue Form öffentlichen Essens auf. Man packte zuhause den Picknickkorb mit Dingen, die heute als Fast Food bekannt ist Würstchen, Frikadellen, Pizza.

Die Industrialisierung brachte es später mit sich, dass Arbeiten und Wohnen in zwei Bereiche getrennt wurden. Also musste man außer Haus essen. Es entstand das Bedürfnis, schnell und günstig essen zu können. Auf diese Weise entstand z.B. 1902 das erste "Automatenbuffet", aus dem man kaltes und warmes Essen purzelte.

Schon 1882 gab es das erste Self-Service Restaurant, das Pommes Frites, Hamburger und Currywurst anbot!

Fast Food ist eine Folge unsere westlichen Zivilisation. Überall essen zu können und zu wollen, hat sich aus unseren Lebensumständen ergeben und vor allem aus der Trennung von Arbeiten und Wohnen.

Quelle: Schirrmeister, Claudia (2010): Bratwurst oder Lachsmousse. Die Symbolik des Essens- Betrachtungen zur Esskultur. Bielefeld, 2010.

Mittwoch, 14. November 2012

Wie genau ändert sich mein Körpergefühl bei Sport?

Ich habe es ja schon mehrfach geschrieben, dass ich regelmäßig Sport mache. Früher während meiner Bulimie aber leider gar nicht. Dabei hätte mir das damals bestimmt gut getan.
Meine präferierte Tageszeit ist der Morgen. So mache ich mich nicht von meinem Tagesablauf abhängig. Wenn ich spontan z.B. abends etwas unternehmen will und dann keinen Sport machen kann, würde das nicht funktionieren. Daher wäre mein Tipp: sucht euch eine angenehme Tageszeit aus, die für euch am besten in den Tagesablauf passt. So ist die Gefahr, dass man den Sport verschiebt, am geringsten.
Aber zurück zum Körpergefühl. Nach dem Sport bin ich angenehm ausgepowert. Ich bin schön wach und nach der Dusche fühle ich mich richtig frisch. Ich spüre meinen Körper, auf eine angenehme Weise. Ich weiß, dass er funktioniert. Und das Gute am Morgensport ist auch: man hat gleich am Anfang des Tages ein Erfolgserlebnis.
Meine Körperproportionen haben sich auch positiv verändert. Ich bin "definierter". Das ist ein super Gefühl, und selbst wenn ich jetzt ein bisschen zunehme, merke ich es nicht direkt, sondern habe den Eindruck, dass es auch besser verteilt wird.
Das Körpergefühl ist den ganzen Tag über gut, hat mehr Kondition und ist auch konzentrierter. Die Kondition vereinfacht ganz normale Alltagssituationen: wenn ich zum Bus renne beispielsweise oder eine lange Treppe hochsteige. Mann, da hab ich früher teilweise echt geschwitzt.
Nix wie ran, wäre mein Rat.

Samstag, 10. November 2012

Sich Strukturen schaffen

Ich hatte früher oft ein Riesenproblem damit, mir meinen Tag vernünftig und für mich angenehm einzuteilen. Oft bin ich irgendwann nach Mitternacht ins Bett und dann am nächsten Tag um 10 aufgestanden, bis ich dann fit für den Tag war, war es schon Mittag. Wenn ich dann noch FAs hatte, und das war meistens während der Ferien oder am Wochenende der Fall, dann hab ich mir gedacht "ok, morgen und übermorgen hab ich ja nichts zu tun, also kann ich ruhig für nen FA einkaufen". Hm. Machen wir uns nochmal ein paar Gedanken zum Sinn solcher freien Tage....sie sind zum Entspannen da, damit man bei Arbeitsbeginn oder was man sonst so treibt, wieder fit ist. Und nach einem tagelangen FA oder mehreren hintereinander braucht man eigentlich erstmal noch einen Urlaub.
Ich hab einen ganz pragmatischen Tipp. Überlegt euch mal, was ihr gern unternehmen wollt. Etwas, was euch wirklich Spaß machen würde. Scheut nicht davor zurück, mal wieder jemanden anzurufen und zu fragen, ob er / sie was mit euch machen würde. Die meisten Leute freuen sich auch über Begleitung. Neulich hatte ich erst wieder die Situation, dass ich auch alleine war an einem Sonntag, und dann mit einer Freundin darüber gesprochen hab. Sie hat dann gefragt, warum ich nicht angerufen hätte, sie wär auch allein gewesen und hätte gern was gemacht.

Ja, der Grund, warum ich das schreibe, ist folgender: ich habe mich jahrelang zurückgezogen und war mehr oder weniger (bis auf Uni / Schule / Arbeit) den ganzen Tag zuhause. Ich habe nichts unternommen. Meine einzige Verbindung zur Außenwelt war zuerst das Fernsehen, danach das Internet. Und ich denke mir heute: hätte ich doch früher mehr unternommen, wär mal raus gegangen, hätte mich mit LEUTEN getroffen! Aber das hab ich nicht gemacht, weil ich mich zu sehr geschämt habe für mich selbst.

Mit Strukturen schaffen meine ich hauptsächlich zeitliche Strukturen, an denen ich mich orientieren kann. Und die eine Art Verhinderung eines FAs sein können. Weil ich am nächsten Tag nicht ein aufgedunsenes Gesicht haben will, sondern ausgeruht sein will. Weil ich mich konzentrieren will. Und weil ich meine Zeit nicht verschwenden will, sondern angenehm nutzen will.

Eine permanentere Struktur könnte auch ein Nebenjob sein. Mir hat das auch sehr gut geholfen. Wenn ich weiß, dass ich arbeiten muss, dann kann ich den Feierabend richtig genießen, weil ich etwas zu Ende gebracht habe (im Gegensatz zum Studium, dort gibt es kein richtiges "Ende"). Das heißt, man hat nicht nur während der Arbeitszeit keine Zeit für einen FA, sondern minimiert gleichzeitig das Risiko für danach.

Eine Struktur, die ich momentan in meinem Leben sehr gerne mag, ist das morgendliche Laufen. Ich gehe nicht jeden Tag, aber regelmäßig. Dabei nutze ich das Laufen auch als eine Art Zeitmanagement-Tool. Das bedeutet, dass ich früh aufstehen muss, und dafür muss ich wiederum früh schlafen gehen. Das bringt gedankliche Sicherheit mit sich, auf die ich nicht mehr verzichten möchte.

Samstag, 3. November 2012

6 Wege Fressanfälle zu verhindern

1. Die Wohnung verlassen. Oft hat ein Essanfall mit Isolation zu tun. Auch wenn man mit dieser Notlösung nicht das eigentliche Problem, das dem Essdrang zugrunde liegt, angeht, so kann es doch eine Chance sein, um den Essanfall zu verhindern.

2. Sich vorstellen, wie man sich nach dem FA fühlt. Meistens nicht sehr gut. Je länger man die Bulimie schon mit sich herumschleppt, desto stärkere Auswirkungen hat jeder einzelne FA: Müdigkeit, Unkonzentriertheit, das sind alles bekannte Konsequenzen. Die Frage ist: kann ich mir das leisten? Oft musste ich früher eigentlich noch etwas erledigen, nach dem FA war daran nicht mehr zu denken, ich war zu müde und bin gleich ins Bett. Am nächsten Tag dann aufwachen mit dickem Gesicht, Halsschmerzen und Kopfweh.

3. Sich klarmachen, dass jeder verhinderte FA mich im Umgang mit meinen Gefühlen weiterbringt. Jeder verhinderte FA ist eine Lektion in "Gefühle zulassen". Ich stelle mich meinen Gedanken, lerne, sie zuzulassen und kann Strategien entwickeln, um sie zu verarbeiten. Anstatt sie mit einem FA zu unterdrücken und dann auf das fette Ende zu warten, wenn sie unkontrolliert ausbrechen.

4. Die "Was brauche ich wirklich"-Liste. Hier findet ihr sie.

5. Sich verabreden. FAs treten oft dann auf, wenn ich nichts mehr vor habe und genug Zeit für einen FA habe. Es kann wirklich helfen, wenn ich in brisanten Situationen auf solche Notlösungen zurückgreife.

6. Über Gedanken sprechen oder schreiben. Dieses diffuse "Ich fühl mich schlecht, aber geh dem Ganzen nicht auf den Grund" kann zermürbend sein. Ein Telefonat mit einer vertrauten Person kann helfen, die Gefühle in Worte zu fassen und oft stellt sich heraus, dass alles weniger schlimm ist als gedacht. Aufschreiben kann denselben positiven Effekt haben. Wenn ich konkret überlege, worin das Problem liegt, zeigt sich mir auch oft schon die Lösung.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Mach was!

Sich zu ändern ist.... ja, nicht die einfachste Aufgabe. Wenn alle Stricke reißen, bleibt man dort, wo man schon immer war. Ein von Bulimie Betroffener hilft sich weiterhin mit FAs über seine emotionalen Krisen hinweg. Mehr muss ich dazu ja nicht sagen, jeder will sich davon befreien.
Aber wie macht man es? Den Königsweg kennt niemand, auch ich nicht.
Aber eins weiß ich genau: es ist die Einstellung, die zum Erfolg führt. Und nicht, wie lange es jemand ohne FAs aushält. Wenn jedoch jemand seine Einstellung geändert hat, dann können die FAs eine gute Messlatte für den Erfolg sein.
Dabei sind es die kleinen Schritte, die die Einstellung dauerhaft verändern können. Man erkennt zuerst das eine, dann das andere Puzzleteil und irgendwann ist man soweit, dass man es ohne FAs schafft. Aber bis dahin ist es ein langer und steiniger Weg. Ausgelutscht, aber wahr!
Dabei hilft es, sich einfach ganz stupide hinzusetzen, und sich Ziele zu stecken. Ziele, die man wirklich erreichen kann. Ich kann nicht von mir verlangen, ab sofort jeden Tag eine Stunde zu laufen und dann in 3 Monaten beim Marathon mitzurennen.
Aber ab sofort sportlicher sein zu wollen und es mal mit dem Laufen zu probieren, auch zu sagen, ich will jetzt regelmäßig laufen, wenn es mir gefällt, das wäre ein realistisches Ziel.
Oft braucht man, wenn man aus der Bulimie rauswill, Erfolgserlebnisse. Ohne die wird es echt anstrengend und man läuft Gefahr, immer tiefer in den Teufelskreis zu geraten.
Darum ist es wichtig, sich kleine Ziele zu stecken, an denen man sich hochhangeln kann. Und sich nicht von einem Negativstrudel mit nach unten ziehen zu lassen!

Samstag, 27. Oktober 2012

Motive für die Lebensmittelwahl

  • Geschmacksanspruch (Erdbeeren mit Schlagsahne sind höchster Genuss)
  • Hungergefühl (Ich habe einfach Hunger / Ich muss das jetzt essen)
  • Ökonomische Bedingungen (10 Tafeln Schokolade für 4,98,-)
  • Kulturelle Einflüsse (Morgens Brötchen mit Kaffee)
  • Traditionelle Einflüsse (Omas Plätzchen zu Weihnachten)
  • Habituelle Bedingungen (Ich esse immer eine Suppe vor der Mahlzeit)
  • Emotionale Wirkung (Ein Stück Schokolade bei Enttäuschung)
  • Soziale Gründe (beim Grillen kommt man gut ins Gespräch)
  • Sozialer Status (Nach der erfolgreichen Rede einen Schampus)
  • Angebotslage (Man isst die Currywurst, weil es die gerade am Imbiss gibt)
  • Fitnessüberlegungen (Damit steigere ich meine Leistung beim Schwimmen)
  • Schönheitsansprüche (Ich esse keinen Käse, weil ich schlank bleiben will)
  • Verträglichkeit (Ich trinke keine Milch, weil ich davon Blähungen bekomme)
  • Neugier (Das esse ich zum ersten Mal)
  • Angst vor Schaden (Ich esse kein Gemüse wegen EHEC)
  • Pädagogische Gründe (nach dem Musikunterricht kaufe ich dir eine Schokolade)
  • Krankheitserfordernisse (Ich muss meine Broteinheiten kontrollieren, bin zuckerkrank)
  • Magische Zuweisungen (Artischocken serviere ich bei meinem ersten Date)
  • Pseudowissenschaft (Low Carb zum Abnehmen)
  • manchmal auch: Gesundheitsüberlegungen (Das ist angeblich gesund)
Modifiziert nach Pudel, 1995.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Skin Deep: Eating Disorder Recovery Tattoos

Interessante Tattoos, die ich bei arenomore gefunden habe. Die Lesers des Blogs haben sich als Zeichen der Gesundung stechen lassen. Seinen Körper kann man nicht so einfach loswerden. Tattoos erinnern bis in alle Ewigkeit, naja gut, es gibt jetzt ja auch Laser....






Ach übrigens: in 2 Monaten ist Weihnachten! :)

Samstag, 20. Oktober 2012

Ich bin mit mir im Reinen....

....und ich kann mich wieder auf mich selbst verlassen. Ich habe mich kennengelernt und bin zufrieden mit mir. Das ist eine der wichtigsten Lektionen, die ich auf dem Weg gelernt habe. Und wisst ihr was? Wenn ihr das wiedergefunden habt, dann werden es andere automatisch bemerken. Hätte ich nie geglaubt! Sobald man aufhört damit, sich zu verstecken, sich selbst nicht ernst zu nehmen und anfängt, sich eben doch ernst zu nehmen (und dazu gehört auch die Sprache: "kann ich vielleicht mal...."; "ich will ja nichts sagen, aber..."; "ist bestimmt ne blöde frage, aber..."; gehört unbedingt auch dazu!), wird man plötzlich wahrgenommen. Man ist wieder sichtbar, ansprechbar, existent! Alle Menschen machen Fehler, also los! Grins.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Fundstück: "vomito ergo sum"

""Vomito ergo sum - Ich kotze also bin ich."
Der Babyspeck, das wächst sich schon aus, haben die Erwachsenen gesagt, und "fette Sau" nannten mich die Gleichaltrigen. An jedem Zeitungskiosk hochglänzende Heilsversprechungen: 7 Kilo weniger in drei Tagen, für immer schlank, endlich Wunschgewicht, so werden Sie sexy wie nie. Ich hab daran geglaubt. Erst als Diätnovizin, dann als vollwertiges Mitglied im Orden der Fressschwestern, der nur im Geheimen operiert, an stillen Örtchen. 10 Jahre lang hab ich dem Stierhunger, der alles verschlingenden Göttin Bulimie gehuldigt. Bin vorm Kloaltar gekniet und hab Opfer dargebracht, mein Leben nur nach ihr ausgerichtet. So much for the ten year plan.

(der folgende text entstand ursprünglich als beitrag für das online-jugendmagazin fm5)



Ich war fünfzehn als mein Leben begann.


Auf dem Heimweg von der Schule war es plötzlich da, unaufgefordert und überraschend und seither hat es mich nie wieder losgelassen. Nie zuvor war es in solcher Intensität aufgetreten, das Herzrasen. Mir war schwindlig, ein kleinwenig schlecht und plötzlich wußte ich es in aller Gewissheit : „Ich bin verliebt.“


Das Abendessen war bereits vorbereitet, als ich daheim eintraf und obwohl es ein langer Tag gewesen war, sagte ich meiner Mutter, dass ich erstens keinen Hunger hätte und zweitens mit sofortiger Wirkung eine Diät beginnen würde. Danach hab ich mich in mein Zimmer eingeschlossen und es die nächsten Jahre praktisch nicht mehr verlassen.


Da saß ich also. Pickelig, mit strähnigem Haar, das üppige Doppelkinn notdürftig mit einem Halstuch in Form gehalten und träumte plötzlich nicht mehr nur von Pferden, sondern auch von jungen Männern. Genaugenommen nur von einem. Diese erste Liebe war so unsterblich, dass ich nicht mal mehr weiß wie er hieß. Mir war klar, dass er mich nie wahrnehmen würde, wenn ich nicht schleunigst mein Äußeres änderte, denn abgesehen von der altersüblichen Talgüberproduktion hatte ich auch noch schätzungsweise 25 Kilo zuviel. 80 Kilo aufgeteilt auf 164 cm Mensch. Die Extremitäten zwar durchaus wohlgeformt, der Rumpf jedoch recht fleischig und der Busen angesichts meines Alters angsteinflößend. „Fette Sau“ hatte man mir mehr als einmal nachgerufen. „Da kommt Pamela Anderson mal vier“ war zumindest intellektuell etwas ausgefeilter, aber genauso kränkend. Trotzdem hatte ich mich selbst gemocht und mir das auch mindestens drei mal täglich versichert. Nun aber zeigte sich mir im Spiegel eine Person, die ich abscheulich fand. So wie ich aussah, würde mich niemals jemand gernhaben können.


Und so hörte ich auf zu essen. Verliebte Euphorie gab mir die nötige Kraft, sowohl dem mütterlichen Pausenbrot, als auch dem Schulbuffet zu entsagen, mittags nur etwas Buttermilch zu schlürfen und abends ohne das geringste Bedauern auf die Nahrungsaufnahme zu verzichten. Ich besorgte ein Maßband und einen Notizblock. Mit Hilfe des Bandes und des letztjährigen Quellekatalogs versuchte ich, meine aktuelle Konfektionsgröße festzustellen, danach notierte ich sowohl Datum, als auch zu mir genommene Kalorienmenge, legte mein Wunschgewicht mit 55 Kilo fest und fühlte mich großartig.


Natürlich war ich mir im Klaren darüber, dass ich auch Sport treiben musste, um dauerhaft abzunehmen. Im Keller stand ein altes Trampolin, dass ich in mein Zimmer schleppte und fortan als Trainingsgerät nutzte. Dank Nirvana`s „Unplugged in New York“ gelang es mir bald 2 Stunden täglich darauf herumzuspringen.


Nach vier Tagen Buttermilchkur hing mir das Zeug zum Hals heraus, aber ich hatte beinahe 2 Kilo abgenommen. Wenn wenig essen schon zu solche Erfolgen führt, würde dann nicht gar nichts essen noch effektiver sein?


Am Dachboden fand ich alte Brigitte-Diät-Bücher und nach der Schule stahl ich Diätratgeber in der örtlichen Buchhandlung. Bereits nach einer Woche war ich zumindest in der Theorie mit sämtlichen je von der Menschheit ersonnenen Ernährungsformen zur Gewichtsreduktion vertraut und kannte den Kaloriengehalt von 500 Lebensmitteln auswendig. Mein Schwarm hatte mich noch immer keines Blickes gewürdigt.


Nichts als Kaffee und Wasser zu sich zu nehmen, hat nun zwar einerseits einen recht beachtlichen Körpermasseverlust zur Folge, allerdings stellt sich spätestens ab Tag zwei ein übler Mundgeruch ein und man wird auch ziemlich unkonzentriert.


Zu Beginn der zweiten Woche war ich zwar physisch erleichtert, jedoch ließ die Motivation bisweilen zu wünschen übrig. Manchesmal stellten sich auch Hungergefühle ein, ab und zu konnte ich nicht widerstehen etwas zu essen. Quasi eine Todsünde. Mir war übel, ich hasste mich selbst und begann zusätzlich zum Trampolintraining Sit-ups zu machen. Dass ich eine Nulldiät auf Dauer nicht durchhalten würde, war mir bewußt und vor allem hatte ich Angst davor magersüchtig zu werden. Aber in einem meiner Diätbücher war ich auf den „Reistag“ gestoßen. 200 Gramm Reis, Trockenmasse, sollte „die Pfunde purzeln lassen“. Ich glaube es gibt im deutschen Sprachraum exakt keine Veröffentlichung zum Thema abnehmen, wo nicht mindestens einmal „die Pfunde purzeln lassen“ vorkommt, ich habe diesen Ausdruck schon immer gehasst.


Zuvor hatte ich immer behauptet „Ich habe Mitleid mit allen Chinesen, weil die so viel Reis essen müssen“ und die klebrigen Körner geschmäht, aber um der Diät willen würgte ich nun exakt abgewogene Mengen davon hinunter. Meine Mutter wollte mir einen Gefallen tun und hatte sogar für mich vorgekocht, weil der Reis nicht ganz so schrecklich schmeckte wie üblich, kam ich dahinter dass sie einige Tropfen Öl und etwas Salz beigefügt hatte. Ich wurde hysterisch, denn erstens hat Öl 900 Kilokalorien pro hundert Gramm und damit den höchstmöglichen Energiegehalt überhaupt und außerdem bindet Salz Wasser im Körper. Ich glaube nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon vor hatte meine Diäterfolge zu sabotieren, aber um nicht zuzunehmen, legte ich sicherheitshalber eine Extraschicht am Trampolin ein.


Ich begann aus sämtlichen Zeitschriften Bilder auszuschneiden, von Frauen die meine Traumfigur hatten. Auch notierte ich weiterhin fleißig wieviel ich täglich aß. Ich erstellte Listen mit erlaubten und verbotenen Nahrungsmitteln. Ich ernährte mich fortan von Reis, Äpfeln oder eben gar nichts. Um abends den Hunger im Zaum zu halten, blätterte ich in Kochbüchern, betrachtete stundenlang Bilder von Lebensmitteln in allen Zubereitungsstufen und schlief irgendwann erschöpft und mit knurrendem Magen ein. Zusätzlich zum Trampolintraining und zu den Sit-ups ging ich joggen. Nach einem Monat fingen meine Jeans an zu rutschen, nach eineinhalb Monaten hatte ich kaum mehr was zum anziehen übrig und nach drei Monaten, die Waage zeigte 20 Kilo weniger an, musste ich mich am Kleiderschrank meiner Mutter bedienen.


Anfangs waren meine Eltern stolz auf mich gewesen, hatten mich ermutigt weiterzumachen, doch plötzlich bekamen sie es mit der Angst zu tun, meine Lehrer zogen mich in der Pause zur Seite, um ein ernstes Wort mit mir zu sprechen, ich konnte ihre Sorgen nicht verstehen. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben glücklich.


Ich war stets das fünfte Rad am Wagen gewesen, die lustige, dicke Freundin, der Kumpel. Nun interessierten sich plötzlich genau die jungen Männer für mich, die mich früher verspottet hatten. Nachdem ich mich äußerlich so radikal verändert hatte, befand ich es für an der Zeit mein Image zu wechseln. Ich wollte nie mehr die graue Maus, die langweilige Besserwisserin sein, also begann ich zu rauchen, das hatte für mich einen zwar betont intellektuellen, aber interessanten Touch. Mit meiner neuen Selbstsicherheit war es nicht weit her, mittels Alkohols konnte ich mir allerdings behelfen. So gut sogar, dass ich bald auf Parties die betrunkenste und enthemmteste Person von allen war.


Irgendwann in dieser Zeit passierte es zum ersten Mal. Meine Selbstdisziplin ließ sich nicht mehr aufrechterhalten und ich stopfte mich derart mit Essen voll, dass ich mich übergeben musste. Ich hatte mechanisch nicht nachgeholfen, also brauchte ich noch keine Angst vor einer Essstörung haben, dachte ich zumindest. Die Fressattacken nahmen allerdings rasch überhand und eines Tages fing ich an, mich verschiedenster Hilfsmittel zu bedienen, um die überschüssigen Kalorien wieder loszuwerden.


Ein durchschnittlicher Fressanfall, meist in zwei bis drei Etappen angelegt, bestand zum Beispiel aus: 8 Kokoskuppeln, 7 Wurst- und Käsesemmeln, 1 Fruchtplunder, 2 Cabanossis, 1 Leberkäsesemmel, 1 Liter Cola, 250 g Erdnüssen, 2 Schokoriegeln, 1 Tüte Gummifröschen, ½ Apfelstrudel (nicht zu verwechseln mit einem halben Stück Apfelstrudel!), Sauerkraut mit Speck, 3 Bratwürsten, 4 großen Bratkartoffeln mit Ketchup, 1 Banane, 4 Toastbroten mit Marmelade + viel Butter, 4 Wurstbroten (die Wurst fingerdick aufgeschnitten, die Brote mindestens ebenso), 1 Dose Ananas, 1 Glas Currysauce.


Ich lernte bald in welcher Reihenfolge ich essen musste, um hinterher leichter erbrechen zu können. Anfangs hatte es genügt, wenn ich mir den Finger in den Hals steckte um den ersehnten Brechreiz auszulösen, bald reichte diese Stimulation nicht mehr aus. Ich steckte mir alle möglichen Gegenstände in den Rachen, zusammengerollte Taschentücher, Zahnbürsten, sogar Tampons. Ich denke, es gibt keinen erbärmlicheren Augenblick im Leben eines Menschen, als den, wenn dir erst ein Schwall Kotze aus der Nase schießt und dir plötzlich die Zahnbürste im Schlund steckt und du verzweifelt um Atem ringst, in der Gewissheit, dass irgendjemand deine Leiche in einer stinkenden Lache aus Erbrochenem finden wird, wenn du das Ding nicht schleunigst irgendwie herausziehen kannst. Noch peinlicher wäre es wahrscheinlich nur, an einem O.B. zu ersticken. Nach jahrelanger Übung kann ich mich übrigens mittlerweile auf Befehl übergeben.


Ich hasste mich für meine Schwäche. Der saure Geruch von Kotze begleitete mich überallhin. Damit meine Eltern keinen Verdacht schöpften, schüttete ich literweise Shampoo in die Toilette um den Gestank zu überdecken. Bei Schulausflügen oder wann immer ich meine gewohnte Umgebung verließ, führte mich mein erster Weg aufs Klo. Ich musste mein Revier abstecken, herausfinden wann ich am besten ungestört kotzen könnte. Ich lernte die Vorteile und Tücken von Flach- und Tiefspülern ebenso kennen, wie die Segnungen einer Bad-WC-Kombination - bei vollaufgedrehter Dusche lassen sich Würggeräusche überdecken und der Wasserdampf hilft gegen den Geruch. Wenn ich, aus welchen Gründen auch immer, nicht kotzen gehen konnte, wurde ich unruhig, reizbar und aggressiv. Für solche Fälle spielte ich mit dem Gedanken, mir Abführmittel zuzulegen. Unter anderem deshalb kenn ich praktisch nur ein italienisches Wort: lassativo - Abführmittel.


Ich wünschte mir nichts mehr, als magersüchtig zu sein, nie mehr essen zu müssen. Ich bewunderte die Willenskraft derer, die sich zu Tode hungern, ich dagegen war schwach und ekelerregend.


Natürlich hatten meine Eltern mitbekommen was mit mir los war, nicht nur weil in unserem Haushalt riesige Mengen an Toilettenpapier, Duschgel, Zahnpasta und Nahrungsmitteln verschwanden. Sie drohten mir, mich ins Krankenhaus einliefern zu lassen. Mein Vater baute eine Speisekammer, zu der ich nur unter Aufsicht Zutritt hatte. Jedoch schaffte ich es immer wieder nachts mit meinen spindeldürren Unterarmen Lebensmittel herauszufischen, oder angelte mit einem aufgeschnittenen Hoola-Hoop-Reifen nach dem Brotkorb. Aus „öffentlich“ zugänglichen Lebensmitteln wie Mehl und Ketchup buk ich frühmorgens Fladenbrot im Toaster, überhaupt kann ich wahrscheinlich aus praktisch allem Essbaren eine kotzbare Mahlzeit zubereiten.


Wenn ich nicht gerade in der Schule saß, ging ich auf Diebestour in Supermärkten oder versuchte zuhause unbemerkt alles Kalorienhaltige an mich zu raffen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an Essen. Meine Klogänge daheim wurden streng überwacht, notgedrungen musste ich in den Wald ausweichen. Bald war es mir zur Gewohnheit geworden, mit einer Handtasche voller Taschentücher, einer Zahnbürste, Zigarretten und einer großen Flasche Wasser durch die Wälder zu streifen um bei jeder Wetterlage meinen Mageninhalt loszuwerden. Selbst Aussentemperaturen von minus 20 Grad schreckten mich nicht ab.


Mein Gesicht war aufgedunsen, ich hatte beständig Magenschmerzen, Mundgeruch, Konzentration war ein Fremdwort geworden, eine unendliche Erschöpfung hatte Besitz von mir ergriffen. Es verging kein Tag mehr, ohne dass ich mich im wahrsten Sinne des Wortes besinnungslos fraß um mich hinterher zu übergeben, meist mehrmals täglich. Meine Tagesverfassung war gewichtsabhängig, ein halbes Kilo weniger oder mehr war ausschlaggebend für Hochgefühle oder schwere Depression - die Waage ein Gradmesser meiner Verzweiflung.


Plötzlich begann ich Blut zu erbrechen, anfangs hielt ich es für geschmolzene Schokolade, Blutungen aus dem Magentrakt wirken bräunlich im Gegensatz zu den hellroten Rachenblutungen. Beim ersten Mal wurde ich noch panisch, im Laufe der Zeit gewöhnte ich mich daran. Ich wünschte mir sogar, innerlich zu verbluten, damit dieser unwürdige Zustand endlich ein Ende hätte.


Das Einzige was mich, abgesehen von essen noch aufrecht erhielt, war, so paradox es klingen mag, der dringende Wunsch zu sterben. Nächtelang hielt mich der Gedanke an Selbstmord wach und ich ritzte mir mit Rasierklingen ins Fleisch, zumindest Schmerz konnte ich noch empfinden.


Andere Lebensinhalte hatte ich nicht mehr. Nun, vielleicht noch das Bedürfnis nach menschlicher Nähe. Um dies zu erreichen, betrank ich mich bei jeder Gelegenheit maßlos. So wahnsinnige Angst ich nüchtern vor Sozialkontakten hatte, so zügellos benahm ich mich im Rausch. Was einerseits zu einem sehr zweifelhaften Ruf, andererseits zu einigen Alkoholvergiftungen führte.


Die Schule sah ich nur mehr selten von innen (geschafft habe ich sie dennoch, das Wie ist mir bis heute schleierhaft.). Die erste große Liebe war längst vergessen, unzählige weitere aussichtslose Schwärmereien waren ihr gefolgt. Meine Eltern hasste ich aus tiefstem Herzen, mich selbst allerdings noch viel mehr.


Was es war, dass mich am Leben erhielt, kann ich nicht beurteilen. Nicht die Therapiestunden, nicht die stundenlangen nächtlichen Telefonate mit der Telefonseelsorge, nicht der stationäre Klinikaufenthalt, nicht die Selbsthilfegruppe, nicht der erste Freund, nicht der zweite, mein Elternhaus unter Garantie nicht, auch nicht der nahezu inexistente Bekannten- und Freundeskreis. Möglicherweise gibt es doch so etwas wie einen Lebenswillen, der unter all der Selbstverachtung und dem tiefempfundenen Haß für die eigene Person schlummert.


Mit 19 zog ich von zu Hause aus, um ein neues Leben zu beginnen und endlich Freunde zu finden, Menschen die mir ähneln. Ich fand sie nicht, meine einzige Begleiterin war die Bulimie. Seit Jahren definierte ich mich nur mehr über diese Krankheit, sie war mein Halt, mein Ritual, meine beste Freundin, alles was meine Person ausmacht. Meine Ängste und die Einsamkeit ertränkte ich in Alkohol, oft auch in der Absicht nie wieder aufzuwachen.


Heute bin ich 24 und Teil-Zeit Bulimikerin. Ich habe es satt all meine Energie im Klo hinunter zu spülen. Ich kotze nur mehr alle paar Tage, manchmal sogar wochenlang nicht. Ich habe gelernt meine Fressattacken zu kontrollieren, aber auch, dass zu starker Kontrollzwang das Gegenteil bewirkt. Die Depression ist nach wie vor meine ständige Begleiterin, bisweilen kann ich dem Leben jedoch schon ein paar schöne Momente abgewinnen. Ich lerne nur langsam, wie es ist, wirkliche Freunde zu haben und aus der selbstauferlegten Isolation herauszutreten. Ich würde niemals andere Menschen nach so strengen Maßstäben beurteilen wie mich selbst, doch ich bin meine gnadenloseste Kritikerin. Spiegel sind noch immer meine schlimmsten natürlichen Feinde. Denn egal, ob ich wie zu meinen kränkesten Zeiten 45, oder wie jetzt 55 Kilo auf die Waage bringe, alles was ich sehe ist Fett. An schlechten Tagen wage ich es nicht die Wohnung zu verlassen, weil ich mich fühle wie ein gestrandetes Walross, ein wirklich häßliches noch dazu. Ich habe Angst vor fremden Menschen, Angst davor ausgelacht zu werden. In der Öffentlichkeit zu essen ist purer Stress für mich, auf offener Straße oder in Umkleidekabinen befallen mich hin und wieder Panikattacken und ich fürchte zu ersticken.


Die Bulimie hat mich neben der Kunst des Verschleierns auch in der hohen Kunst des Fassadenbaus unterwiesen. Meine Umwelt hält mich für selbstsicher, geradezu arrogant. Nach außen hin bin ich eine starke, sehr harte Frau mit recht männlichem Gehabe und morbidem Humor. Innerlich allerdings bin ich leer - wie eine Wursthaut ohne Fülle. Mich bis zum Anschlag mit Essen vollzustopfen, ist meine einzige Möglichkeit mich lebendig zu fühlen.


Ich maße mir nicht an, wirkliche Ratschläge erteilen zu können, jede Bulimieerkrankung hat ihre ganz speziellen Ursachen. Letztlich denke ich jedoch, dass der Auslöser für diese Krankheit aus der Unfähigkeit resultiert, mit bestimmten Emotionen umzugehen.


Ich habe es aufgegeben in meinen Kindheitserinnerungen herumzustochern, natürlich hatte ich eine bulimietypische Familienstruktur: Den biologischen Vater, den Stiefvater, von keinem der beiden wirkliche Anerkennung, die Mutter die irgendwo dazwischen stand, die Befürchtung einmal so zu werden wie sie - unsicher und fremdgesteuert, die Halbgeschwister und das Gefühl nirgendwo dazu zu gehören, die fehlende Geborgenheit,... Dennoch will ich nicht nur in der Vergangenheit leben oder einen „Schuldigen“ finden.


Ich für meinen Teil kotze mir die sprichwörtliche Seele aus dem Leib, weil mich die Sehnsucht nach menschlicher Nähe, Akzeptanz und Gefühlen, aber gleichzeitig die panische Angst davor (denn Nähe zu wollen, bedeutet aus meiner Sicht der Dinge heraus, sich in eine Abhängigkeit zu begeben, was für mich von Schwäche zeugt) innerlich zerreisst.


Von Selbsthilfegruppen und Internet-Bulimie-Foren halte ich persönlich nicht viel. Zu groß ist die Gefahr sich nur gegenseitig die triste Weltsicht zu bestätigen. Mich hat der Aufenthalt dort stets nur noch mehr deprimiert. Therapeutische Hilfe ist in den allermeisten Fällen unumgänglich. Ein stationärer Klinikaufenthalt kann eine gute Möglichkeit sein, aus dem gewohnten Trott auszubrechen, für eine Heilung allerdings reicht die Zeit sicher nicht aus. Für weiterführende Behandlung empfiehlt es sich, sich an einen ausdrücklich auf Essstörungen spezialisierten Psychologen zu wenden. Eine gewisse Skepsis dieser Branche gegenüber, halte ich dennoch für angebracht. Auf der Suche nach einem geeigneten Therapeuten sind mir schon die absurdesten Dinge widerfahren: Die Psychologin, die mich nach der ersten Stunde fragte „Was wollen sie eigentlich hier? Sie wissen doch was ihr Problem ist.“, der Vorwurf ich hätte bei einem psychologischen Computertest geschummelt, der Psychologe der mich bat, mich doch auf einen anderen Stuhl zu setzen, dieser hier sei nämlich sein Platz, der unendlich beleidigt reagierte und eine weitere Zusammenarbeit vorerst verweigerte, als ich ihn scherzhaft fragte, ob er denn platzfixiert sei.


Bulimie ist eine zerstörerische Sucht, die nicht nur die Betroffene / den Betroffenen sowohl nervlich als auch gesundheitlich und finanziell zugrunde richtet, sondern Familien, Partnerschaften und Freundschaften auseinander reissen kann, der Leidensdruck ist auch für Angehörige beinahe unerträglich.


Essstörungen sind zwar mittlerweile als Gesprächsthema salonfähig geworden, dennoch haftet ihnen ein großes Tabu an, die Dunkelziffer der Betroffenen ist enorm. Die wenigsten Bulimikerinnen bekennen sich offen zu ihrer Krankheit, aus der Befürchtung heraus für psychisch abnormal, nicht liebenswert, abstoßend gehalten zu werden. Dabei lebt diese Krankheit gerade von der Heimlichtuerei, darüber sprechen zu können, nimmt ihr viel von ihrem Schrecken."
gefunden auf  geleeroyale.twoday.net, freundlich genehmigt von MoniqueChantalHuber

Samstag, 13. Oktober 2012

Fundstück: "Mach mich gesund"

"Mach mich gesund" demonstriert die heilende Wirkung von Lebensmittel. Sehr interessant & vielleicht ein guter Denkanstoss.
Die Sendung kommt aus Großbritannien und wurde unter dem Titel "You are what you eat" auf Channel 4 gesendet. In Deutschland wird sie von ZDF Neo auf den Bildschirm gebracht.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Übersäuerung durch Bulimie

Ihr werdet jetzt wahrscheinlich fragen: Übersäuerung, was soll das sein? Und was hat das mit Bulimie zu tun? Das ist gar nicht so schwer zu erklären.
Um es vorweg zu nehmen: die Theorie der Übersäuerung ist umstritten. Sie ist in schulmedizinischen Kreisen nicht anerkannt, dort existiert sie schlichtweg nicht. Für meine Ohren hat sie allerdings durchaus plausibel geklungen, daher habe ich mich näher damit befasst.

"Symptome einer chronischen Übersäuerung können sein:
  • Antriebsschwäche
  • rasches Ermüden
  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit
  • Immunschwäche.
Unter einer chronischen Übersäuerung leidet der gesamte Organismus. Jedes Organ drückt dies mit "seiner Sprache" aus:
  • die Knochen entkalken, was besonders im Alter die Bruchhäufigkeit steigern kann
  • Das Herz kann mit Rhythmusstörungen reagieren, schlägt weniger kräftig und wirft weniger Blut aus, dadurch wird der gesamte Organismus weniger mit Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt
  • Die Muskulatur kann sich abbauen
  • Im Blut kann der Kaliumgehalt ansteigen, was wiederum die Herzaktion beeinträchtigen kann.
  • An den Zähnen kann es leichter zu Karies kommen." 
(Quelle: http://www.medizin.de/ratgeber/uebersaeuerung.html)
Teststreifen für den Urin bekommt ihr in der Apotheke. Man geht davon aus, dass ca. 80% der Bevölkerung übersäuert ist. Ich stütze meine These, dass auch viele Bulimiker übersäuert sein könnten, auf ihrem durchschnittlich schlechteren Gesundheitszustand. Eine entgleister Elektrolythaushalt und ungesunde Ernährung können dazu beitragen, eine Übersäuerung zu entwickeln. Das einzige Mittel gegen die Übersäuerung ist eine vorwiegend basische Ernährung. Hier findet ihr eine Liste mit basischen Lebensmitteln.





Samstag, 6. Oktober 2012

3 Mahlzeiten am Tag

Ich war nochmal auf Recherchetour bezüglich des Themas "Wieviele Mahlzeiten am Tag". Und ich bin - tatataa!- wieder zum selben Ergebnis gekommen wie in meinem letzten Beitrag: 3 Mahlzeiten am Tag sind optimal, wenn man sich wieder normal und gesund ernähren will.
Die Gründe sind folgende:

1. Sättigungsgefühl: Als Bulimiker ist das Sättigungsgefühl meist nicht mehr vorhanden. Man kann dann essen, bis man fast platzt und fühlt sich immer noch nicht satt. Das bedeutet, dass man dieses Sättigungsgefühl erst mal wieder aufbauen muss- was auch funktioniert! Bei 3 Mahlzeiten am Tag kann ich auch mal ein bisschen mehr essen und hab nicht auch objektiv das Gefühl, mich rein kalorientechnisch nicht sattessen zu dürfen, wie das - zumindest bei mir- bei 5 Mahlzeiten am Tag der Fall gewesen wäre.

2. Weniger "kritische" Situationen. Das ist naheliegend und pragmatisch. Wenn ich nach jedem Essen ein Problem habe und das Risiko besteht, kann es wirklich helfen, einfach weniger Mahlzeiten zu essen. Damit geht ihr dem Problem nicht aus dem Weg, sondern macht es euch selbst einfacher.

3. Insulin. Wer seinen Körper mit Bulimie missbraucht hat, dessen Stoffwechsel ist möglicherweise, vielleicht sogar wahrscheinlich, im A*. Jeder, der normal essen will, muss erstmal da ran und die Maschine wieder zum Laufen kriegen. Okayokay, ich weiß schon, der Körper ist keine Maschine, aber in der Hinsicht passt das Bild. Was passiert, wenn ich 3 Mahlzeiten esse und nicht 5? Der Insulinspiegel steigt nach jeder Mahlzeit an. Je mehr Zucker bzw. Kohlenhydrate, desto stärker. Dann ist der Körper damit beschäftigt, das Insulin wieder abzubauen. Der Körper kann nicht gleichzeitig Insulin UND Fett abbauen. Je mehr Zeit zwischen den Mahlzeiten liegt, desto eher ist das Insulin also wieder abgebaut und desto wahrscheinlicher ist es, dass der Körper Fett abbauen kann.

Wenn ihr also Schiss habt wegen dem normalen Essen: 3 rules :)

Samstag, 29. September 2012

Experimentieren

Manchmal hilft es und bringt Abwechslung, im Umgang mit Essen auch zu experimentieren. Immer nur stur nach Plan essen hat mir persönlich nie etwas gebracht. Ich brauchte ein grobes Gerüst, aber bei allem darüber hinaus habe ich mich zu stark bevormundet gefühlt.
Was meine ich genau mit experimentieren? Das kann z.B. das Ausprobieren einer neuen Marmeladensorte sein, die man noch nicht kennt, um mal ganz klein zu beginnen. Wenn man in seiner Gesundungsphase schon ein kleines bisschen weitergekommen ist, kann man auch einen Schritt weiter gehen. Man kann testen, zu welcher Uhrzeit man am ehesten FAs bekommt. Es hört sich vielleicht hart an, aber dann kann man vorerst testen, zu dieser Uhrzeit nichts mehr zu essen. Ich hatte immer extreme Probleme mit dem Nachmittag und Mittag. Ich hab dann erstmal mittags nur wenig gegessen, nachmittags nichts, und dafür zum Frühstück und Abend mehr. Generell fiel es mir wesentlich leichter, gar nichts zu essen als nur ein bisschen. Das ist jedoch völlig individuell.
Alles, was dazu führt, keine FAs mehr zu haben, führt ein Schrittchen weiter gen Ziel. Und jeder vermiedene FA bringt euch euch selbst näher!

Der Gedanke hinter dem Experimentieren ist also im Grunde der, keine Angst davor zu haben, sich für alle Ewigkeit auf eine Ernährungsweise festlegen zu müssen. Dass es die gute Ernährung per se nicht gibt, und dass man diese selbst finden und erfahren muss. Die Ernährungsgewohnheiten können sich zudem im Laufe des Lebens ändern. Das alles ist völlig normal!

Mittwoch, 26. September 2012

Gehen die Wassereinlagerungen wieder weg?

Ja, auch die gehen wieder weg. Die Wassereinlagerungen waren eine furchtbare Konsequenz von Fressen und Kotzen und einem verrückt spielenden Elektrolythaushalt. Wenn Kalium im Körper fehlt, speichert der Körper bekanntermaßen übermäßig Wasser. Wabbelige Beine, ein aufgeschwemmtes Gesicht, dicke Augenlider nach dem Aufwachen sind nur ein paar der Merkmale eines wassereinlagernden Körpers.

Sobald sich das Essverhalten normalisiert und die FAs und das Übergeben verringert werden, reduzieren sich auch die Ödeme. Sie verschwinden ganz, wenn man wieder normal isst und die Mineralien im Körper wieder ausgeglichen und in gesunder Anzahl vorhanden sind. Versprochen!

Wort- Stammtisch

So, liebe Leute, heute wird es eine kleine philologische Runde geben. Ich als Gastgeber beginne mit einer kleinen Spritztour durch tiefgründiges Terrain in unserem geliebten Staat Bulimia.
Beginnen wir mit dem Menschen, liebevoll Homo Sapiens genannt. Sapiens (der Weise) hat den gleichen Wortstamm wie Sophia (=Wissenschaft), nämlich "sapio", was "der Schmeckende" bedeutet.
So gelangen wir zu der Erkenntnis, dass unser geliebter Vorfahre Sapiens einigen Wert gelegt haben muss auf sein Essen, wenn seine Gattung genau danach benannt worden ist.
Und unsere deutschen Mitmenschen legen leider nicht ganz so viel Wert auf Ihre Nahrung. Sie geben 12% ihres Einkommens für Essen aus, in Frankreich sind es 25%, in Japan sogar 30%.
Auch die deutsche Sprache spricht ihre eigene Sprache: der Gastrosoph Dell`Agli hat herausgefunden, dass von 220 Redewendungen, die auf Essen basieren, ganze 200 negativ besetzt sind. Jeder kennt sie: "Hast du Tomaten auf den Augen", "dumm wie Brot" (interessant: im Französischen heißt es "bon comme le pain", also übersetzt "gut wie Brot"), "Alles Käse" und so weiter und so fort. Kein Wunder also, dass für Deutsche Essen und Genuss nicht unbedingt das Gleiche bedeutet.... Ich bin fest davon überzeugt, dass auch ihr es zu Genießern bringen könnt!

Samstag, 22. September 2012

Was wollen Bulimiker?

Die meistverwendeten Wörter auf ab-server.de

Interessant! Was hat das zu bedeuten?

Mittwoch, 19. September 2012

Durch Essstörung jünger geschätzt

Immer wieder werde ich jünger geschätzt. Es kommt so gut wie nie vor, wenn dann erst nach einem längeren Gespräch mit der Person, dass mein wahres Alter auf Anhieb erkannt wird. Die Leute sind oft richtig schockiert, wenn ich mein Alter nenne. Ich habe mir jahrelang Gedanken gemacht, warum das so ist. Und ich habe eine Erklärung gefunden.
Es hat, neben meiner genetischen Voraussetzung, etwas mit meiner Essstörungs-Vergangenheit zu tun. Warum genau, liegt eigentlich auch auf der Hand. Ich habe mich damals eigentlich nicht mit mir selbst beschäftigt, bin auf der Stelle getreten. Ich habe mich damals nicht weiterentwickelt, war auf dem Stand eines jungen Mädchens. Ich habe mich so verhalten und auch so gefühlt. Das hört sich hart an, es ist für mich aber die einzige plausible Erklärung. Wenn ich nicht angemessen mit mir selbst und anderen umgehen kann, wenn ich keine Probleme löse, sondern ihnen aus dem Weg gehe, dann hinterlässt das alles keine Spuren, weder in meinem Kopf als Lernerfahrung, sondern eben auch nicht auf meinem Körper und im Gesicht. Es fehlt Lebenserfahrung, und das spiegelt sich in meinem Gesicht wider. Ich sehe jung aus, weil ich jung geblieben bin, weil ich mich nicht weiterentwickelt habe. Seit ich mich normal ernähre, ist es deutlich besser geworden, aber ich kann es nicht komplett aufholen.

Samstag, 15. September 2012

Die Bulimie besiegen

Anscheinend werden jede Menge Leute auf meine Seite gespült, die bei Google nach "Bulimie besiegen" gesucht haben. Die Bulimie zu besiegen klingt für mich danach, als würde man Bulimie als Person sehen, und sie quasi als Feind besiegen und die Macht über sie gewinnen.
Ich habe dieses Bild vor einigen Monaten selbst gezeichnet und bin von dem Begriff nicht mehr überzeugt.
Im Kampf macht es Sinn, vom "Feind" zu sprechen, wenn es sich um Bulimie handelt, nicht.
Denn dieses Bild birgt einige Gefahren: wenn die Bulimie mein Feind ist, kann ich mit Rückfällen nicht konstruktiv umgehen. Ein Rückfäll wäre mit dieser Einstellung rein negativ besetzt. Ein Rückfall wäre schlimm, ich würde mich runtermachen, ich würde mich als schwach beschimpfen, ich würde mir dann schwören müssen: das war das allerletzte Mal, dass mir sowas passiert ist. Ich würde mir Vorwürfe machen, warum ich es wieder nicht geschafft habe. 
Und genau dort liegt die Schwachstelle dieser Einstellung. Ich komme nur weiter, wenn ich einsehe, dass Rückfälle nicht einfach nur schlecht sind, wenn ich Rückfälle von vornherein mit einplane, wenn ich weiß, es wird mit Sicherheit Rückfälle geben. Warum? Weil Rückfälle ein Zeichen sind für Baustellen in meinem Leben, die ich mir näher anschauen muss.
Mit Bulimie fällt es leicht, diese Baustellen einfach zu ignorieren, ich muss ja nicht hinhören wenn irgendwo ein Problem ist, ich überesse es einfach.
Wenn ich dann die Bulimie mit ihren praktischen Symptomen, die mir das Leben auf kurze Sicht erleichtern, weil ich durch sie unangenehmes ausblenden kann, einfach weglasse, und keine anderen Lösungsstrategien anwenden kann (einfach weil ich es nie gelernt habe), dann wird es echt schwierig.
Auf alle Fälle würde ich Rückfälle - und wenn es wirklich einzelne Rückfälle sind und kein Abdriften in die Bulimie-  als positives Signal werten. Und dann kann ich nicht sagen "ich habe die Bulimie besiegt", weil ich die Bulimie nicht als Feind betrachte.
Eine gesunde Heilung würde ich beschreiben mit "sich von der Bulimie verabschieden". Obwohl das wieder mit einer Person assoziiert werden würde, hm. Dennoch hat dieser Begriff etwas menschlicheres. Ich kann nicht etwas bekämpfen, was ein Teil von mir ist oder über die Jahre geworden ist, je schlimmer es auch sein mag. Bulimie ist definitiv an sich nichts gutes. Aber ich kann gute Schlüsse daraus ziehen, und es war auf keinen Fall eines nicht: umsonst. Glaubt mir, ihr habt diesen ganzen Shit nicht umsonst mitgemacht.
Meiner Meinung nach kann solch eine Strategie, also mit dem Bulimie als Feindbild, nur sehr schwer damit vereinbart werden, sich selbst lieben zu lernen.

Mittwoch, 12. September 2012

Den Serotoninspiegel stabilisieren

Ein permament zu niedriger Serotoninspiegel kann unterschiedlichen Quellen zufolge (u.a. Imke Jochims in "Zucker und Bulimie") zu Heißhungerattacken führen.
Ich halte viel von diesen gehirnchemischen Ansätzen, weil meiner Meinung nach bei einer solchen psychosomatischen Erkrankung wie der Bulimie nicht nur die Psyche des Menschen eine Rolle spielt- daher eben auch der Begriff "psychosomatisch".

Ja, und da kommen wir auch schon zu den Möglichkeiten, wie man den Serotoninspiegel wieder ins Lot bringen kann (Auszug aus o.g. Buch):

- wenn serotonin fehlt, erzwingt das appetitzentrum des gehirns den konsum von kohlenhydraten. das appetitzentrum (hypothalamus) ist staerker als jeder wille. blutzuckerspiegel stabil halten: lebensmittel mit niedrigem glykaemischen index. gleichzeitig sorgen sie durch ihren (komplexen) kohlenhydratanteil fuer einen angemessenen serotoninaufbau und provozieren keinen suchteffekt. die mahlzeiten sollten hauptsaechlich aus komplexen kohlenhydraten bestehen, protein als ergaenzung. wer feststellt dass er auf bestimmte lebensmittel suechtig reagiert muss sie weglassen.

- abgesehen von falscher ernaehrung wird das serotonerge system auch durch bestimmte soziale konflikte destabilisiert, besonders konflikte im bereich fuersorge/ intimitaet, status/ dominanz. jegliche stabilisierung des sozialen systems lindert die anzahl und ausmaße der essanfaelle als auch die psychischen probleme.

- sport kann biochemie des gehirns so veraendern dass man weniger essanfaelle/ essdruck bekommt und sich staerker und gesuender fuehlt. sport steigert entweder den serotoninspiegel (wenn er ruhig und ausgeglichen ist) oder den dopamin-/noradrenalinspiegel. sport baut muskeln auf und muskeln sind das einzige organ das zucker aus dem blut in angemessener menge herausziehen kann und so den blutzuckerspiegel natuerlich reguliert. je mehr muskeln ein mensch hat, desto stabiler ist seine blutzuckerreaktion (heißt, dass „ernaehrungsausrutscher“ bzw ungesundes den blutzuckerspiegel jenes menschens weniger stark beeintraechtigt). eine halbe stunde laufen am tag wirkt ebenso antidepressiv wie entsprechende medikamente. bestimmte sportarten kurieren zudem eine erschoepfung der nebennieren und sorgen fuer eine psychisch ausgeglichene stimmung. sport ist notwendig um cortisol und andere stresshormone abzubauen, die sonst „giftig“ und zerstoererisch im koerper wirken.

- regelmaeßige schlafzeiten normalisieren den cortisolspiegel, wirken sich guenstig auf den serotoninspiegel aus, beheben eine erschoepfung der nebennierenrinde und dienen der erholung. am besten sind mindestens 7 stunden schlaf pro nacht.

- eine der wirksamsten methoden, den serotoninspiegel zu heben, ist schreiben. schreiben sie jeden morgen etwa 10 minuten etwas zu folgendem thema auf: „angenommen, ich waere frei, was wuerde ich denken, planen, tun, fuehlen ?“ es ist gleichgueltig ob sie jeden morgen dasselbe schreiben, hauptsache sie schreiben. bis sie ein halbes jahr lang keine es mehr haben.

- beruhigende, sanfte musik steigert die ausschuettung von serotonin und entspannt. wenn man spuert, dass ein essanfall naht, kann man beruhigende, serotonin steigernde musik auflegen, die man mag. das traegt zur milderung der ablaufenden stressreaktion bei

Mittwoch, 5. September 2012

Auch Spiegeleier sind ein Genuss

Ich habe ein Interview mit Ulrich Wickert gefunden (bitte nicht wundern, dass es aus einem Seniorenmagazin stammt, hat hier nichts zu bedeuten :D).

"Ihre Leidenschaft für guten Rotwein und Käse haben Sie in Frankreich entwickelt. Warum muss man Genuss lernen?

Als ich nach Paris zog, trank ich Bier, hatte keine Ahnung vom Wein. Ein alter Kollege hat mich dann noch vor dem Weintrinken in das Wein-Einkaufen eingeführt. Und worauf es beim Essen ankommt, hat mir Gert von Paczensky erklärt, der Restaurantkritiken schrieb und jemanden brauchte, der in Paris für ihn die Tische bestellte und ihn beim Essen begleitete. Bei meiner ersten Trüffelsoße fragte ich ihn: „Und was ist jetzt der Trüffel an der Geschichte?“ Mein Gaumen war noch nicht erzogen, um den Geschmack zu erkennen. Zum Genießen gehört sehr viel Wissen. Das muss man wirklich erst lernen.

Und wie lernt man Genuss, wenn man keinen Gastrokritiker kennt?
In Frankreich gehen Köche in die Schulen und bringen den Kindern etwas bei. Das ist ideal. Ansonsten sehe ich die Eltern in der Pflicht.

Nun werden Sie ständig um Rat gefragt in Käse- und Rotweinfragen ...
Den gebe ich aber gern. Übrigens sind auch Bratkartoffeln und Spiegelei ein Genuss!"

aus: "Warum muss man Genuss erst lernen, Herr Wickert?", Seniorenratgeber - hehe

Samstag, 1. September 2012

Genuss- Gedanken.

Genuss ist individuell. Die Geschmacksnorm wird kulturell bestimmt, der Genuss selbst ist allerdings subjektiv und damit individuell verschieden. Es kann also genussvoll sein, eine Tasse Kaffee zu trinken, und es ist nicht genussvoll, eine Tasse Kamelmilch zu trinken, weil dies in unserer kulturell geprägter Norm (dem Durchschnitt) nicht festgeschrieben ist.
Wie kann man als Bulimiker Genuss lernen? Eine gute Idee ist es, jede Mahlzeit genießen zu wollen.  Dazu gehört, sich ausreichend Zeit für alle Mahlzeiten zu nehmen. Sich auf die Mahlzeit zu konzentrieren. Denn Genuss hat mit Zeit zu tun, ohne Zeit gibt es keinen Genuss. Genuss entsteht, wenn ich meinen Fokus, meine Aufmerksamkeit auf das Essen richte. Da wären wir auch wieder beim FA. Beim FA richte ich meine Aufmerksamkeit nicht auf das Essen, sondern auf gar nichts, ich verdränge. Ich stopfe alles runter, ich stopfe mich wie eine Gänsestopfleber.
Zeit ist der Anfang. Der nächste Schritt ist die Auswahl der Lebensmittel. Esse ich etwas, was mir schmeckt? Oder esse ich das auf meinem Teller, weil ich damit etwas anderes ersetze? Ersetze ich damit mein Lieblingsgericht, esse ich ein Käsebrot, weil das schneller geht und ich zu faul bin, oder nehme ich mir Zeit und koche mir einen Griesbrei, den ich früher immer so gern gegessen habe?
Der nächste Schritt ist das Anrichten. Esse ich auf einem Teller oder direkt aus dem Topf? Stelle ich mir vielleicht mal eine Blume auf den Tisch, ein Glas neben meinen Teller, und gönne ich mir heute mal einen Nachtisch? Behandle ich mich gut oder nachlässig?

Dennoch: Wäre es nicht viel sinnvoller, weniger Wert auf Genuss zu legen? Ein einfaches Essen zu mögen & das vielleicht auch zu genießen, aber um gedanklich vom Essen loszukommen? Wie heißt es im Talmud schon so schön "Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal." Ich finde, das ist ein Gegenargument, über das es sich nachzudenken lohnt.....Sollte man dem Essen wirklich so viel Wert beimessen?

Ich denke, die Lösung liegt wie immer in der Mitte....

Mittwoch, 29. August 2012

Selbstbewusstsein: Das kleine Ich bin Ich

Buchcover des kleinen "Ich-bin-ichs" von Mira Lobe. Quelle: http://diepresse.com
Wer kennt es nicht, "Das kleine Ich bin Ich". Ich muss zugeben, als ich es vor einigen Jahren mal wieder in die Hände bekommen habe, hat es mir wirklich einen Denkanstoß gegeben. Für alle, die das Buch nicht kennen, hier eine Kurzfassung:
Das kleine Ich bin Ich ist auf der Suche nach seiner Identität. Es ist ein nicht näher bestimmbares, buntes Tier. Auf einer Blumenwiese trifft es zuerst einen Frosch. Der will wissen, welches Tier das kleine Ich-bin-ich ist. Doch das weiß keine Antwort. Verzweifelt fragt es nun verschiedene andere Tiere (Pferde, Fische, weiße Vögel, Nilpferde, Papageien, Hunde) ob jemand wisse, wer es sei. Doch keiner weiß es. Das kleine Ich-bin-ich fragt sich schließlich: „Ob's mich etwa gar nicht gibt?“. Plötzlich trifft es die Erkenntnis wie ein Blitz. Das bunte Tier erkennt: „Sicherlich – gibt es mich: – Ich bin ich!“. Das kleine Ich-bin-ich freut sich und gibt seine Erkenntnis sogleich an alle anderen Lebewesen weiter.
Das Buch erschien im Jahr 1972 und hat sich mittlerweile zu einem Kinderbuchklassiker entwickelt.

Montag, 27. August 2012

Liebenswert

Wenn man davon ausgeht, dass jeder Mensch erst durch seine kleinen Fehler liebenswert wird, bedeutet das im Umkehrschluss, dass jeder Mensch liebenswert ist, weil jeder Mensch Fehler hat.

Samstag, 25. August 2012

Wenn-dann-Pläne oder: Wenn der nächste FA droht

Mal wieder ein super spannender Ansatz, den ich heute entdeckt habe. Mithilfe von Wenn-dann-Plänen können Menschen helfen, ihr Ziele in Angriff zu nehmen und dazu beitragen, dass der Prozess sich im Laufe der Zeit automatisiert.
Sie helfen sehr dabei, Ziele in Angriff zu nehmen und bewirken, dass man neue Verhaltensweisen nach einiger Zeit automatisiert. Was bedeutet, dass man sich irgendwann keine Gedanken mehr darüber machen muss, weil alles schon eingespielt ist.

Wie phänomenal wäre es, wenn man das auf FAs anwenden könnte?

Wie es funktioniert: Man stellt sich eine bestimmte Situation vor, in Fall des FAs also folgendes: du stehst vor dem Kühlschrank und siehst die Pizza im Kühlfach. Du denkst, das wäre ein guter FA. Aber nein. Du willst dein Verhalten ändern. Du stellst dir also wieder vor, wie du vor dem Kühlschrank stehst und die Pizza dich anlacht. Stattdessen gehst du zur Kaffeemaschine und machst dir einen Kaffee. Du setzt dich damit ins Wohnzimmer und rufst eine Freundin an.
Diesen Vorgang wiederholst du ein paar Mal. Also, du stehst vor dem Kühlschrank. Anstatt die Pizza in den Ofen zu schieben, siehst du dich zur Kaffeemaschine gehen, holst die Kaffeedose und riechst das leckere Aroma. Du gibst mehrere Löffel Kaffee in den Filter und schaltest die Maschine an. Du nimmst dein Handy, schaust, welche Freundin du anrufen willst und wählst ihre Nummer. Während du den Kaffee in die Kanne tropfen hörst, klingelt es am anderen Ende der Leitung. Deine Freundin nimmt ab: "Hey, lange nichts gehört! Schön, dass du anrufst! Wie gehts?". Während des Gesprächs ist der Kaffee fertig, du schenkst dir eine Tasse ein und setzt dich damit auf dein Sofa.

Das nur als Beispiel. Du hast bestimmt eigene Dinge, die dir helfen, bau dir deine eigene Geschichte zusammen und stell sie dir in allen Details vor. Mach es ein paar Mal. Geh durch, wie es sich anfühlt, wie es riecht, was du siehst.

Die Methode nennt man "Wenn-dann-Plan", auch Implementations Intentions genannt, und stellt eine  Strategie zur Selbstregulation dar.

Mittwoch, 22. August 2012

Erlernte Hilflosigkeit

Diesen Begriff habe ich vor Urzeiten schon einmal gehört und für mich als teilweise zutreffend gesehen. Ja, ich habe mich früher eher reaktiv als aktiv verhalten. Ich habe auf die Dinge reagiert, anstatt selbst etwas zu unternehmen. Kein Wunder, dass ich mich meistens wie ein kleines Kind gefühlt habe.

Was ist erlernte Hilflosigkeit? Hierzu wurden Experimente mit Hunden durchgeführt, die in 2 Gruppen eingeteilt waren. In beiden Gruppen wurden die Hunde Elektroschocks ausgesetzt. Die Hunde in Gruppe 1 konnten durch die Betätigung eines Hebels den Elektroschock verhindern, während das Verhalten der Hunde in Gruppe 2 keinerlei Einfluss auf die Elektroschocks hatte.

Dies führte dazu, dass die Hunde in der 2. Gruppe, die keinen Einfluss auf die Situation ausüben konnten, nach einer Weile nur noch lethargisch in der Ecke lagen und die Schocks über sich ergehen ließen.

Ich sehe hier einige Parallelen zur Bulimie. Es könnte gut sein, dass sich viele Bulimiker wie die Hunde der 2. Gruppe fühlen. Sie haben das Gefühl, nichts an ihrer Situation ändern zu können und der Bulimie völlig ausgeliefert zu sein.

Wenn ihr euch so fühlt: dem ist nicht so!! Tatsache ist, dass jeder, egal, wie schlimm seine Abhängigkeit ist, sein Leben immer noch selbst in der Hand hat und durch sein Verhalten großen Einfluss auf seine Situation ausüben kann.

Dienstag, 21. August 2012

Essen und Symbole

Nachdem ich ja schon in einem vorherigen Post nach der Symbolik hinter Lebensmitteln gesucht habe, hier nochmal eine Erweiterung und Vertiefung des Themas.
Ich bin im Buch "Kulturthema Essen" (s.u.) auf einen guten und meiner Ansicht nach sinnvollen Ansatz gestoßen. Nahrungsmittel werden in 6 Kategorien eingeteilt:

Prestigeprodukte
  • Man empfindet Nahrungsmittel in erster Linie als persönliche Attribute. Mithilfe von bestimmten Lebensmitteln wird das Bedürfnis nach Schaueffekten und Selbstdarstellung gestillt. Außerdem sollen sie die gesellschaftlich elitäre Position oder Abhängigkeit unterstreichen. Jugendliche gehen beispielsweise zu Starbucks, weil sie zeigen wollen, dass sie es sich leisten können und so imponieren wollen.
Statusprodukte
  • Nahrungsmittel werden eingesetzt, um sich soziokulturell zu positionieren. Sie demonstrieren Gruppenzugehörigkeit und Solidarität  und erleichtern die Aufnahme in eine Gruppe und deren Akzeptanz: Beispielsweise ist man in studentischen Kreisen "in", wenn man vegetarisch lebt.
Fetisch- und Sicherheitsprodukte
  • Nahrungsmittel dienen in besonderen Situationen der Erzielung emotionaler Wirkungen, und können mit Medikamenten verglichen werden. Man hat den Eindruck, ohne sie nicht auskommen zu können. Sie dienen der Ich-Verteidigung oder Ich-Stärkung und haben manchmal magisch-religiösen Charakter: Die Schachtel Pralinen, die die junge Frau immer nach einem Streit mit ihrem Freund verzehrt. 
Hedonistische Produkte
  • Lebensmittel werden aufgrund ihres Geschmacks, Geruchs und Aussehens, situationsabhängig verzehrt, um Lustmaximierung zu erreichen. Damit möchte man eigenes Verhalten belohnen oder demonstriert Gemütsverfassungen, Vergnügen und Kommunikation: Eine bestimmte Kaffeesorte, die ganz besonders teuer war, und deren Aroma ich bis zum letzten Schluck genieße. 
Nur-funktionelle Produkte
  • Zuletzt gibt es Nahrungsmittel, die nur als Nährstoff- und Energielieferanten genutzt werden. Sie haben keinen soziokulturellen Sinngehalt und tragen keine Zeichen: Grundnahrungsmittel, z.B. Kartoffeln oder Brot, können in diese Kategorie fallen. Welche Lebensmittel dies sind, hängt jedoch stark von der persönlichen Einschätzung des Konsumenten ab.
Eine interessante Frage hierzu wäre: existieren solche Lebensmittel für den Bulimiker (Nur-funkionelle Produkte), und wenn ja, welche sind das?  Wäre dieser Ansatz wieder ein kleines Puzzleteil? Nur-funktionelle Produkte sind nicht mit Emotionen verknüpft, was bedeutet, dass es keinen Sinn ergeben würde, sich daran zu überessen....

Auch die anderen Kategorien finde ich sehr spannend: Welche Nahrungsmittel habe ich unbewusst bisher welcher Gruppe zugeordnet?
nach Gerhard Neumann, Hans Jürgen Teuteberg und Alois Wierlacher (1993): Kulturthema Essen. Ansichten und Problemfelder. Berlin, 1993.

Montag, 20. August 2012

Welche Lebensmittel verleiten am stärksten zum Fressanfall?

So, hier die Ergebnisse meiner Umfrage:

1. Süße Teilchen (Hefe-, Plunderteilchen, Gebäck)
2. Schokolade
3. Brötchen
4. Kekse
5. Nudeln, Pommes Frites
6. Obst

Das interessante: niemand hält Gummibärchen für einen FA-Auslöser!

Freitag, 17. August 2012

Dem Essen die Bedeutung nehmen

Einen Baum pflanzen
Normales Essen kann eigentlich nur dann funktionieren, wenn man dem Essen seine alles-einnehmende Bedeutung nimmt. Den Raum, den Essen in meinem Leben einnimmt, nutze ich auf andere, sinnvolle, Art und Weise. Essen muss also an Bedeutung verlieren. Ich muss dem Essen seine Bedeutung nehmen. Wenn Essen so immens wichtig in meinem Leben ist, bedeutet das, dass ich eine erhebliche Zeit meines Tages und damit meines Lebens damit verbringe, über Essen nachzudenken.
Inwiefern bringt mich das weiter? Eben- gar nicht. Ich komme weder beruflich weiter, noch privat, noch in der (Weiter-)Entwicklung meiner Persönlichkeit. Das Essen und der FA ist nach wie vor nur ein Symptom. Deshalb kann es zu einem Einbruch kommen, zu Depressionen, wenn ich das sichere - gestörte- Essverhalten einfach so normalisiere. Es funktioniert selten. Ich muss das Darunterliegende anpacken. Viele Dinge, die ich überstopfe mit Essen kommen erst sehr spät ans Licht, wenn ich den Weg zu meinem Inneren schon längst freigeräumt habe.
Das lässt sich ganz einfach mit einem schönen Bild illustrieren. Stellt euch vor, ihr buddelt ein großes Loch, um dort etwas einzupflanzen. Ihr habt also das Loch gegraben und wollt dort einen Baum einpflanzen. Doch ihr kommt nicht dazu, weil ihr feststellt, dass das Erdreich ungeeignet ist, denn überall sind Steine. Also müsst ihr erstmal die Steine entfernen, was ganz schön anstrengend ist, denn sie sind groß, man bekommt sie fast nicht aus der Erde gezogen. Nur die Spitze ragt in das Loch hinein, und je mehr man freilegt, desto mehr Stein kommt zum Vorschein. Bei den Versuchen, die Steine aus der Erde zu holen, fallt ihr fast selbst in das Loch hinein.  Oft sackt die Wiese an der Stelle ein, unter der ihr einen Stein herausgezogen habt. Die Löcher, die durch die Steine entstanden sind, müsst ihr wieder mit frischer Erde ausfüllen. Wenn ihr das nicht machen würdet, würde eine Trümmerlandschaft entstehen.
Doch irgendwann habt ihr es geschafft, alle Steine sind aus der Erde geholt und ihr könnt den Baum endlich einpflanzen. Der Baum macht die Wiese um ihn herum fruchtbar und trägt irgendwann selbst Früchte!

Mittwoch, 15. August 2012

Therapie der Bulimie

Viele Therapeuten & Kliniken versuchen Ihnen die “Krücke” Bulimie oder Magersucht zu nehmen, ohne dass Sie bereits wieder laufen können. Durch Ernährungspläne und Gewichtsverträge wird u.a versucht das Symptom des Erbrechens oder Hungerns zu unterdrücken. Das Verständnis von Ursachen und  Lösungsansätzen wird hierbei häufig vernachlässigt. Es wird versucht den “Notfallplan” zu unterdrücken, ohne jedoch die Lebenssituation zu entschärfen. (Quelle: bulimio.de)

Dem kann ich nur zustimmen. Der Betroffene hat nicht umsonst bulimische Symptome, in meiner eigenen Vergangenheit waren sie ein Bewältigungsversuch, um mit einem belastenden Umfeld klarzukommen. Dass dieser Versuch nicht gesund ist, steht natürlich außer Frage. 
Der Ansatz einer Therapie muss ganzheitlich erfolgen. Der Therapeut agiert dabei ähnlich einem Arzt, der dem Körper geeignete Mittel reicht, damit dieser sich selbst heilen kann.
Der Arzt ist nie derjenige, der heilt. Es ist immer der Körper selbst. Oft wird deshalb auch gesagt, der Arzt aktiviere die Selbstheilungskräfte. 
Der Therapeut ist also die Person, die den Betroffenen dazu animiert, an offensichtlichen Baustellen zu arbeiten. Der Hauptteil der Arbeit ist vom Betroffenen zu leisten, der sich selbst verstehen lernen muss. Das Ziel einer Psychotherapie ist es immer, dem Betroffenen soweit zu helfen, bis er an einen Punkt gelangt, an dem er sich selbst helfen kann und sein eigener Therapeut geworden ist.

Dienstag, 14. August 2012

Einmal pro Woche -Sache xy-?

"02. Missachte einmal in der Woche alle Regeln

Du schmiedest fleißig Pläne. Vertiefst dich täglich im Thema. Und hältst unermüdlich alle Regeln ein, um deine alten Gewohnheiten erfolgreich zu ändern.
Doch du bist kein Roboter, der auf Knopfdruck Tag ein, Tag aus alles perfekt nach Plan ausführen und dabei penibelst alle Regeln einhalten kann. Du bist ein Mensch mit all seinen Stärken und Schwächen, der gelegentlich auch die Nase voll von Plänen und Regeln hat.
Diese Imperfektion ist ein Teil von dir. Lass sie bewusst zu, anstatt gegen sie anzukämpfen und an ihr zu verzweifeln. Wähle einen Tag in der Woche aus, an dem du deinen Plan mit gutem Gewissen vernachlässigen kannst. Missachte an diesem einen Tag alle Regeln, die du vorher aufgestellt hast. Schlag dir z.B. den Bauch mit Süßigkeiten voll, bis dir schlecht wird [Jetzt weißt du, warum ich jede Woche noch immer 200 g Süßigkeiten verdrücke]. Oder trink so viel Bier, wie du gerade noch vertragen kannst. Es ist dein großer Tag. Genieße ihn. Achte nur darauf, dass du an den übrigen sechs Tagen strikt nach Plan und Regeln lebst. Freue dich auf den einen Tag in der Woche, an dem alle Pläne und Regeln für dich tabu sind. Mit der Zeit kannst du das Intervall bis zum nächsten Ausnahmetag von einer Woche auf zwei, drei, vier, usw. Woche erhöhen. Die Hauptsache ist, dass dein Plan überhaupt einen Ausnahmetag vorsieht, damit du dir keine Vorwürfe machen musst, dass du nicht standhaft genug warst, an deinen Zielen fest zu halten."

aus: www.businesslifehack.de, Artikel "Gewohnheiten ändern in 30 Tagen". 

Samstag, 11. August 2012

15 Tipps zum normalen Essen (Teil 2)

7. Sich nicht mit anderen vergleichen. Isst meine Kollegin heute schon wieder so wenig? Egal! Iss nach deinen eigenen Maßstäben. Zu Beginn ist es sicherlich hilfreich, sich generell an anderen zu orientieren, um die normalen Portionsgrößen einschätzen zu können. Aber sich ansonsten mit anderen zu vergleichen, ist tödlich. Wenn jemand z.B. mal spät frühstückt, hat er mittags einfach mal weniger Hunger und isst weniger als sonst. Jemand anderes musste schnell aus dem Haus und hat mittags dann einen Bärenhunger. Die Kollegin lädt sich einen Riesenteller voll, weil sie ihre Tage bekommt. Der Chef isst nur einen Apfel, weil er abends mit seiner Frau essen geht. Daran sollte man sich nicht orientieren.

6. Zylkusabhängiger Hunger und Appetit. Eine neue Welt hat sich mir erschlossen, als ich das erkannt habe: mein weiblicher Körper verlangt nach unterschiedlicher Nahrung, abhängig davon, wo im Zyklus ich mich gerade befinde. Kurz nach der Menstruation habe ich tendenziell weniger Hunger. Vor der Menstruation bekomme ich wieder mehr Hunger, speziell 1-2 Tage vorher habe ich wirklich oft Lust auf Süßes. Seit ich das weiß, kann ich es viel bewusster wahrnehmen und mir diese Bedürfnisse auch erfüllen. Oft gehe ich dann in die Konditorei und kaufe mir ein leckeres Stück Schokoladenkuchen. Oft ist es auch einfach das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug. Es macht zufrieden, die Signale eines weiblichen Körpers zu spüren und darauf einzugehen. Dabei muss es nicht immer Süßes sein, hört mal in euch hinein.

5. Sich nicht überfordern. Du isst oft ähnliches? So what. Ich kann mich noch vage erinnern, an damals, an meine ersten Gehversuche :) Ich habe ziemlich lange gebraucht, um mir (alleine lebend) so etwas wie Mahlzeiten anzugewöhnen. Und ich habe ziemlich seltsame Sachen gegessen: zum Frühstück ein paar Kekse und Kaffee, damals gab es im Aldi solche Vollkornbutterkekse, die habe ich geliebt. (Gibt´s die überhaupt noch? Müsste ich glatt mal wieder kaufen!) Ich habe einen Cappuccino gemacht und diese Kekse gegessen. Es war okay! Irgendwann, ich schätze es waren ein paar Wochen, wurden aus den Keksen dann Brötchen, die ich mir vom Bäcker geholt habe. Das Gefühl, endlich essen zu können, was ICH will, (und es unter Kontrolle zu haben) war damals so stark, dass ich diese, von außen "seltsam" wirkende Lebensmittel, gewählt habe.

4. Seinen Magen lieben. Ich hatte selten ein ungutes Gefühl im Bauch nach dem Essen, habe das von anderen aber oft gehört, dass es sich schlecht anfühlt, den Magen zu spüren. Ich weiß nicht, was du dagegen machen kannst, aber ich würde stark vermuten, dass es sich hier um eine Einstellung handelt und weniger um einen ungesunden Körper. Alles, was ich wirklich weiß, ist, dass ich heute ein befriedigendes Gefühl habe, nachdem ich etwas leckeres gegessen habe. Ich hab mir was gutes getan, und das hat auch etwas mit dem "um sich selbst kümmern" zu tun. Und das mach ich gern :)

Hier geht es übrigens zu Teil 1!

Donnerstag, 9. August 2012

Die Fähigkeit "Grenzen setzen" als wichtiger Bestandteil der Heilung

Grenzen setzen: bis hierhin, und nicht weiter!
Früher habe ich nicht verstanden, warum ich Grenzen setzen muss. Es war für mich ein hohler Satz ohne Bedeutung. Ich habe es zwar oft gehört, aber dennoch kam er nie bei mir an: "Du musst lernen, Grenzen zu setzen!".
Heute, nach Jahren voller schwieriger Erfahrungen, weil ich keine Grenzen setzen konnte, weiß ich um ihre Wichtigkeit und Bedeutung. Grenzen setzen schützt mich, Grenzen sind unersetzlich für mich als Mensch, als Individuum, das sich von anderen abgrenzen muss, das kommunizieren und sich mitteilen will.
Was passiert, wenn ich keine Grenzen setzen kann? Wenn ich nicht kommuniziere "bis hier, aber nicht weiter", "nein, heute kann ich nicht" oder "bitte frag jemand anderen"?
Es wird unterschiedliche Auswirkungen haben. Ich werde von anderen als eine Person wahrgenommen, die nicht "Nein" sagen kann. Das hat den Effekt, dass andere mich ausnutzen können. Menschen machen es manchmal unbewusst, aber wenn da eine Person ist, die sich immer den schwarzen Peter in die Schuhe schieben lässt, dann greifen diese Menschen gerne zu. Und solange ich mich nicht dagegen wehre, wird sich daran auch nichts ändern. Vermutlich machen sich diese Personen auch gar keine Gedanken darüber- Menschen denken die meiste Zeit nur an sich selbst.
Als jemand, der keine Grenzen setzen kann, bin ich auch jemand, der seine eigene Meinung eher seltener kommuniziert. Vor allem dann nicht, wenn ich jemanden damit verletzen könnte oder es zu einer Diskussion führen könnte. Also lasse ich es, denn sobald jemand anderes mich angreift, setze ich mich nicht zur Wehr, weil ich ja keine Grenzen setzen kann. Ich kann schlecht damit umgehen, wenn mich jemand angreift, weil ich alles an mich heranlasse, weil keine Grenzen sichtbar sind. Ihr erinnert euch vielleicht noch an das Bild mit dem Gartenzaun, das ich hier mal beschrieben habe. Woher sollen diese Leute wissen, wo mein Garten Grenzen hat, wenn es keinen Zaun gibt?
Genauso verhält es sich mit meinen eigenen Grenzen. Ich muss diese kommunizieren.
Was kann noch passieren, wenn ich keine Grenzen setze? Andere werden von mir denken, ich hätte keine eigene Meinung. Jemand, der alles nur toll findet und zu allem ja und amen sagt, wird nicht als eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen. Man wird ihn nicht nach seiner Meinung fragen, weil er scheinbar keine hat. Jemand, der immer nur nett und freundlich ist und seine wahren Gefühle nie zeigt, wirkt nicht authentisch. Er wirkt falsch und vor allem schwach. Das soll nicht heißen, dass man cholerisch werden soll und jeden Tag einen Wutanfall haben muss, aber es trägt zur Glaubwürdigkeit enorm bei, wenn man etwas auch mal scheiße findet und das auch sagt.
Es trägt auch zur Glaubwürdigkeit bei, wenn man sich nicht alles gefallen lässt. Wenn man "nein" sagt, auch wenn andere "ja" von einem erwarten. Was andere von mir wollen, ist eine Sache, was ich selbst will, eine andere. Ich muss immer abwägen, klar, das ist bekannt. Aber ich darf meine eigene Stimme dabei nicht immer überhören.
Meine eigene Erfahrung in der Hinsicht hat mir die Richtigkeit dieser These bestätigt. Ich war bis vor einiger Zeit eine typische "Ja-Sagerin". Ich war immer nett und höflich und konnte schon, bevor ich um etwas gebeten wurde, es den Leuten von den Lippen ablesen. Meine Mutter wurde früher immer beneidet um ihre wunderbar freundliche Tochter. Ja, so war ich. Es ist nichts dagegen einzuwenden, freundlich zu sein, keine Frage. Gleichzeitig muss ich aber auch in der Lage sein, meinen eigenen Willen zu kommunizieren. Dazu gehört auch, "nein" sagen zu können ohne schlechtes Gewissen und vor allem ohne Rechtfertigung.
Es hat wirklich lange gedauert, bis ich diese Rechtfertigung ohne schlechtes Gewissen weglassen konnte. Ich war es schlicht und ergreifend nicht gewohnt, nein zu sagen und dann den Leuten auch noch auf die Nase binden zu müssen, warum ich "nein" sage ("ich kann heute nicht ...., weil ich noch .... muss").
Lasst den zweiten Teil, das "weil" weg. Bis auf Situationen, in denen es wirklich erforderlich ist.
Viel Erfolg damit!

Dienstag, 7. August 2012

15 Tipps zum normalen Essen (Teil 1)

Folgende Sachen haben mir geholfen, eine normale Essweise zu erlernen und beizubehalten:

15. Normales Essen bedeutet nicht, jeden Tag exakt 2000 kcal zu sich zu nehmen. Das können mal mehr, mal weniger sein. Wenn man jeden Tag versucht, dieses Pensum zu schaffen, ist es nur schwer möglich, sein eigenes Gefühl für Hunger und Sattsein zu entwickeln. Ich habe oft morgens keinen Hunger, wenn ich spät am Abend gegessen habe. Das finde ich mittlerweile völlig normal. Und wenn ich dann eben mal nicht frühstücke, ist das in Ordnung. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig außer mir selbst.

14. Probier mal die Sonntagsmethode. Sonntags esse ich das, was ich mir unter der Woche nicht gönne (z.B. Döner, Pizza). Auf diese Weise weiß ich die ganze Woche über, am Sonntag darf ich wieder. Ich muss es also nicht schon jetzt in einem FA "verbraten". So verbiete ich mir nichts (ich verschiebe die Gelüste), muss mir keine Vorwürfe machen, und kann die Ausnahme genießen.

13. Jeder hat seinen eigenen Rhythmus! Für mich zum Beispiel ist das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages. Dafür nehme ich mir auch viel Zeit (ich stehe wirklich früh dafür auf, um genug Zeit zu haben). Anderen ist das Frühstück wiederum überhaupt nicht wichtig, sondern diesen Leuten ist das Abendessen wichtig. Aber so hat jeder seine Vorlieben. Such dir deine Lieblingsmahlzeit aus und achte darauf, dass du dir wenigstens einmal am Tag genug Zeit für dein Lieblingsessen nimmst und dann die Sachen isst, die dir wirklich schmecken.

12. Gesund essen. Grundsätzlich ist ein gesundes Essen mit viel Gemüse und Obst zu empfehlen! Das sage ich aus eigener Erfahrung. Inhaltsloses Essen wie z.B. leere Kohlenhydrate in Form von Weißbrot und ähnlichem kann echt die Laune verderben, verschlechtert die Konzentration, führt zu extremen Blutzuckeranstiegen und -abfällen und provoziert damit Heißhungerattacken. Wenn ihr FAs vermeiden wollt, verzichtet darauf und konzentriert euch auf Vollkornprodukte, Obst, Gemüse und gesunde Fette. By the way: Fette braucht der Organismus zum Überleben. Darauf zu verzichten ist echt lebensmüde. Also lieber ein bisschen Leinöl, Kürbiskernöl und Olivenöl zum Salat verwenden, als ein Dressing aus der Tüte oder der Flasche.

11. Bewusst Ausnahmen machen. Wenn du was Süßes willst, dann iss es bewusst. Man muss nicht jeden Tag Süßes essen, wenn das Angst macht. Am besten ist es, sich mal zu überlegen, wie oft pro Woche man sich etwas Süßes gönnen möchte. Süßes ist hier natürlich ein Platzhalter für alles, was man normalerweise nicht zum Sattmachen isst.

10.  Neue Zu- und Abneigungen entdecken. Welche Speise mochtest du früher, bevor deine Essstörung begonnen hat? Sind es noch deine Leiblingsspeisen oder verbietest du sie dir? Das Ziel sollte sein, sie wieder nach und nach zu essen, denn wahrscheinlich isst du sie immer noch gern, ganz tief in dir drin.

9. Sich nie gezwungen fühlen, etwas zu essen. Stell dir vor, du gehst spontan zu einer Grillparty. Eigentlich hast du kurz vorher erst gegessen, weil du nichts von der Veranstaltung wusstest, und hast gar keinen Hunger. Aber alle anderen essen etwas. Allein der Gedanke, jetzt noch mehr zu essen, obwohl dein Bauch schon voll ist, macht dir schon ein ungutes Gefühl. Aber du willst keine komischen Kommentare ernten und lädst dir einen Teller voll. Wenn du auf deinen Körper hören lernen willst, dann lass das lieber bleiben! Es kann wirklich ein paar Jahre dauern, bis du diese extremen Signale deines Körpers "überhören" kannst und dir in so einer Situation was zu essen nehmen kannst OHNE danach ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Bis dahin hilft nur eins: stur bleiben und auf den Körper hören.

8. Ganze Mahlzeiten und nicht im Vorbeigehen oder auf der Straße oder vor dem Kühlschrank essen. Eine Mahlzeit auf dem Teller, schön angerichtet, während man am Tisch sitzt, isst sich viel angenehmer, und der schöne Nebeneffekt ist: man behält den Überblick. Meine eigene Erfahrung hat mir gezeigt, dass 3 normale Mahlzeiten ohne Zwischenmahlzeiten in der Anfangszeit am hilfreichsten waren, um ein gesundes Hungergefühl zu entwickeln. Zwischen den Mahlzeiten sollten mindestens 4 Stunden liegen. Dann hat der Körper genügend Zeit, um die Nahrung zu verdauen. Ähnliches wurde hier schonmal erwähnt.

Hier geht es zu Teil 2!

Samstag, 4. August 2012

Esst doch, was ihr wollt!

 Bevor ihr anfangt zu lesen, eine kleine Bemerkung zum Inhalt. Der jetzt-Artikel bezieht sich auf einen Artikel im amerikanischen Magazin Rookie. Dieser handelt von einer Bedienung in einem Coffeeshop, die jeden Tag mit ansehen muss, dass erwachsene Frauen sich die "Erlaubnis" von ihr holen wollen, weil sie sich zu ihrem Kaffee noch etwas Süßes kaufen wollen.

Aus jetzt.de: "Unter Beobachtung":

"Egal ob Muffin oder Gemüseteller: Was und wie viel unsere Autorin isst, das meinen andere Menschen dauernd kommentieren und bewerten zu müssen. Kein Wunder, findet sie, dass so viele Frauen nicht einfach entspannt etwas essen können. Vergangene Woche erschien im Online-Magazin Rookie Mag ein lesenswertes Manifest: Eating. In dem Artikel wird beschrieben, wie eine Frau in einem Coffeeshop sich von der Bedienung quasi die Erlaubnis dazu holen wollte, zu ihrem Kaffee noch kalorienschweren Süßkram aus der Theke zu bestellen. Die Autorin machen solche Frauen, die sich schuldig fühlen, wenn sie etwas nicht komplett fett- und zuckerbefreites essen, geradezu wahnsinnig."
(weiterlesen


Quelle: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/552422/-2

In gewisser Weise gebe ich der Autorin Recht, mich nervt dieses ständige "oh Gott, das ist jetzt aber ein großes Stück"-Gelaber genauso. Aber gibt es nicht einfach - leider - genug essgestörte Frauen, die einfach ein fettes Problem mit dem Essen haben und es teilweise einfach gar nicht bewusst wahrnehmen, wenn sie ständig drüber reden, und macht sich die Autorin dann nicht eigentlich über diese Frauen lustig?
Meine Frage zu diesem Text: gibt es tatsächlich noch Frauen in Deutschland, die sich keine Gedanken über ihr Essen machen? Die "normal" essen?
Ist es nicht auch normal, sich gesund ernähren zu wollen, und mit Genuss zu essen? Muss ich jeden Tag Kuchen essen, weil ich jeden Tag Lust darauf habe? Ich denke, dass eine gewisse Kontrolle nicht schadet. Dieses "jetzt habt euch nicht so, esst doch einfach was ihr wollt" geht mir echt auf den Zeiger. Das ist auch nicht die Lösung!
So z.B. der jetzt-user JoergAuch: "So, Frühstück. Es gibt Rührei mit Speck, kleine Bratwürstchen und Marmeladenbrötchen. American Style. I'm loving it."
Da denk ich mir doch nur: Schön für dich! Mal was von gesunder Ernährung gehört?
Muss man das jetzt jeden Tag essen, um als "normal" zu gelten?
Irgendwie ist mir das alles zu extrem. Die einen, die sich ihre Mahlzeiten abwiegen und nie mit Genuss essen können, sich alles versagen und dann FAs bekommen und alles wieder auskotzen (oder die einfach IMMER total diszipliniert sind), und die anderen, die laut schreien "ich achte überhaupt nicht darauf, dass es gesund ist- da, nimm den whopper, die pommes und die cola und schütts dir rein, läääääcker!" - na echt, lecker!
In was für einer Welt leben wir eigentlich?!

Ich praktiziere folgende Methode:
1. generell gesundes Essen.
2. Süßes und ähnlichen Kram als Ausnahme betrachten & genießen.
3. nichts bereuen. Wenn ich keine seltsamen Einstellungen gegenüber dem Essen habe, das ich zu mir nehme, habe, muss ich diese auch nicht öffentlich an den Tag legen.
4. mich entscheiden: entweder ich esse + genieße, oder ich esse nicht + äußere mich nicht darüber, dass ich ja eigentlich gern würde.

Lest mal die Kommentare des englischen Originals, die sind weitaus facettenreicher als die deutschen, in denen eher die "stellt euch nicht so an"-Mentalität vorherrscht.

Bulimie und kein soziales Gespür

Gespür für soziale Situationen kann man wiederentdecken
Schwieriges Thema, finde ich. Ich habe lange Zeit in selbst gewählter Einsamkeit gelebt. Während die Bulimie bei mir akut ein Thema war, habe ich mir immer nur gewünscht, allein gelassen zu werden. Und selbst dann, als das Essthema mit FAs usw. geklärt war, konnte ich einfach keine Freundschaften schließen. Ich hatte einige gute Bekannte, ich kann aber nicht sagen, dass es Freunde waren. Zu keiner Zeit konnte ich jemandem außer meinem Freund dauerhaft vertrauen.
Aber der Wunsch nach einer guten Freundin oder "besten Freundin" trat immer mehr zutage. Ich trauere noch heute meiner besten Freundin aus Jugendtagen hinterher, die ich massiv durch meine Essprobleme verletzt habe. Ich hatte damals einfach kein Gespür mehr für andere Menschen, wie ich mit ihnen angemessen umgehen kann, ich habe sie schlicht und ergreifend nicht vollständig wahrnehmen können.
Wie geht das Gefühl, sich immer nur zurückziehen zu wollen, wieder weg, fragt ihr euch vielleicht. Bei mir hat es wirklich, wie so vieles, Jahre gedauert. Und ich würde fast sagen, dass ich erst vor kurzem auf das Glück gestoßen bin, dass ich mit anderen Menschen erleben kann. Mein Menschenbild war eigentlich durch und durch negativ. Meine Einstellung war "alle anderen sind bescheuert" und dabei hab ich mich vor allem an mir selbst orientiert. Als hätte jeder eigene Misserfolg diese Einstellung neu belegt. Ich habe mich auf Negatives konzentriert, also habe ich auch nur negatives gesehen. Selbst wenn ich es eigentlich, von meiner Vernunft aus betrachtet, besser wusste, so war doch meine Überzeugung anders.
Im Nachhinein war diese Einstellung gar nicht schon immer vorhanden, sie hat sich vielmehr erst nach und nach entwickelt. Aber sie war ca. ein halbes Jahr "akut" und hat mich richtig runtergezogen.
Irgendwann hat es dann "klick" gemacht. Ich wusste, wenn ich so weitermache, dann mach ich mich selbst kaputt. Mit so einer Einstellung werde ich nicht alt. Und vor allem, werde ich so keine Menschen erreichen. Und wer bin ich, ohne andere Menschen? Ohne ehrliche Reflektion, ohne Rückmeldung, ohne eine zweite Meinung?
Was mich vor allem von anderen distanziert hat, war meine extreme kleinliche Kritik an allem, was sie gemacht haben: ich habe jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Mal ehrlich, wer will sich dann mit mir unterhalten? Es gibt eine buddhistische Weisheit, der ungefähre Wortlaut ist "Sei streng mit dir selbst, aber nachsichtig mit den anderen".
Wenn ihr auch Probleme damit habt, andere einfach nur zu mögen, schaut mal hier rein: klick
Alles Gute, Jo