Sonntag, 19. Dezember 2010

Werde ich immer dicker, wenn ich dann normal esse?

Nachdem ich heute schon ein Horror-Posting verfasst habe, möchte ich das nicht so stehen lassen. Ein positiver Artikel muss schon noch raus.
Und zwar über die berüchtigte Furcht der Bulimikerin, bei Rückkehr zu einem normalen Essverhalten die Kontrolle über das Gewicht zu verlieren.
Diese Angst möchte ich gerne mit mir selbst als Beispiel entkräften. Ich hatte lange diese Angst, mich dann damit abfinden zu müssen, zuviel Gewicht zu haben. Mein Gewicht vor Beginn der Krankheit war niedriger, damals war ich aber auch erst 15.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Theorie des "Set-Point"-Gewichts stimmt. Diese Theorie besagt, dass man immer zu einem gewissen Gewicht zurückkehrt. Bei mir war das auch der Fall.
Vielleicht könnte also das Gewicht zu Beginn der Essstörung als Anhaltspunkt dafür dienen, wie das normale Gewicht wohl wäre.
Leider muss ich sagen, dass mir oft nicht ganz klar ist, ob ich satt bin. Ich orientiere mich dann an der Menge, die ich gegessen habe. Mein Magen fühlt sich voller an, klar. Aber leider könnte ich wegen der Bulimie immer noch mehr essen. Vermutlich ist mein Magen immer noch erweitert....?! Das habe ich aber mittlerweile akzeptiert, und komme gut damit klar. Ich könnte auch nicht sagen, wie es früher war. Darum kann ich mich damit arrangieren.
Was ich auch gerne mag, ist ein Nachtisch, der mir das Ende der Mahlzeit signalisiert. Das kann auch ein Kaffee sein, ein Tee, ein Apfel....alles, was für euch dieses Signal sein könnte.
Rituale beim Essen sind mir also sehr wichtig geworden, und mit meinem Gewicht bin ich sehr zufrieden. Es ist jetzt zur Nebensache geworden, und ich brauche keine Angst mehr zu haben, dass es schwankt, denn das tut es nicht.
Außerdem treibe ich regelmäßig Sport, dadurch finde ich meinen Körper sehr schön und ansehnlich. Auch Stellen, die mir früher ein Dorn im Auge waren, kann ich jetzt zufrieden betrachten. Es ist mein Körper, er hat schon viel mit mir durchgemacht, dafür bin ich ihm dankbar und behandle ihn gut.
Er tut mir nichts Böses, er ist mein treuer Begleiter. Öfter als früher bin ich zu ihm liebevoll, creme ihn ein, und muss keine bösen Überraschungen mehr mit ihm erleben oder mich für ihn schämen.
Was für eine Wundermaschine so ein Körper doch ist, mit soviel hochfunktionaler Haut, mit Haaren, Nägeln....jeder Teil davon freut sich, wenn ich mich eine Weile mit ihm auseinandersetze...auch meine Füße, meine Ellbogen, meine Schienbeine....

Rückblick: FAs während den Hochphasen meiner Bulimie

Es tut wirklich weh, darauf zurück zu blicken: die FAs während meiner bulimischen Zeit. Damit ihr nicht glaubt, ich hätte sie nie gehabt....hier der Ablauf eines beispielhaften FA´s:
ich gehe zuerst "schön" einkaufen. Was landet da in meinem Einkaufskorb? Kuchen, weiches Brot, Käse, ein paar fettige Joghurts und Pudding, Pizza, Nudel-Fertiggerichte, Nudelsalat, ein paar sehr süße Früchte, z.B. Pfirsiche, Milch, Kekse, Schokolade, Haribo, Chips. An der Kasse dann vielleicht noch ein Eis, das ich mir auf der Heimfahrt schonmal genüsslich reinstopfe. Zuhause bin ich dann natürlich allein, ich habe wahrscheinlich einen freien Tag. Kein Besuch, keine Verpflichtungen am Abend, dafür wär ich viel zu müde.
Daheim angekommen, mach ichs mir erstmal gemütlich, schalte den Fernseher an und packe alles Essbare aus, verbreite es um mich herum, auf verschiedenen Tellern. Der Backofen wird angeschalten, die Pizza kommt rein. Ich hole mir einen Löffel für die Puddings und Joghurts.
Dann fang ich erstmal mit dem Brot an, schneide es in Scheiben und verteile großzügig Mayonnaise und Käse darauf. Wenn ich ganz geduldig bin, dekorier ich das Ganze noch mit Gurken- und Tomatenscheiben. So, dann erstmal Beine hochgelegt und Brote verspeist. Danach, es soll ja schön abwechslungsreich sein, vertilge ich ein paar Joghurts, damit ich dann wieder Appetit auf die knusprige, salzige Pizza habe. Ich hol sie aus dem Backofen und lege sie auf ein großes Brettchen, schneide sie in große Stücke. Dann hol ich mir was zu Trinken und esse sie Stück für Stück, während dessen schau ich mir im Fernsehen seichte Filmchen an, Telenovelas, leichte Kost.
Danach kommt der Kuchen dran. Er ist in einer schönen, glänzenden Zellophanfolie verpackt, und ich bewundere seine Vollkommenheit, mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Es ist ein Schokoladenkuchen, der, wenn man ihn zusammendrückt, schön teigig wird. Ich zerreiße die Folie und zerschneide ihn in dicke Stücke. Dann hole ich die Sahne aus dem Kühlschrank, flüssige Sahne, und tunke die dicken Stücke hinein, sie saugen sich so richtig schön voll mit der fettigen Soße. Dann kaue ich sie langsam und stopfe so gemächlich den ganzen Kuchen in mich hinein.
Ich fühle, wie mein Magen spannt, der Bauch wölbt sich hervor, ich stehe auf und betrachte ihn im Spiegel. Ich sehe aus wie schwanger. Das ist für mich ein gutes Zeichen. Ich setz mich wieder hin, in allen Positionen ist das jetzt nicht mehr möglich, mit dem Riesenbauch, ich muss mich seitlich hinlegen. Zum Glück hab ich so ein gemütliches Sofa.
Ein paar Stücke von der Pizza sind noch da, darauf hab ich jetzt richtig Lust nach dem süßen Kuchen. Ich kaue sie langsam, der Käse ist schon hart geworden. Ich spül alles mit ein paar Schlucken Milch hinunter. Mein Bauch beginnt zu schmerzen. Es ist mir egal, im Gegenteil, jetzt fühl ich mich geborgen. Ich hol mir die Kekse und esse sie zusammen mit der restlichen Milch. Dann noch ein paar Haribo.
Ich verharre noch einige Minuten vor dem Fernseher, ich fühle mich wie in einer anderen Welt. Alles um mich herum nehme ich nur noch gedämpft wahr.....
Ich schleppe mich zur Spüle, fülle ein großes Glas mit lauwarmen Wasser und öffne die Tür zur Toilette....
Nach ein paar Minuten ist alles vorbei, mir ist schwindlig, ich laufe wie auf Watte, torkele zu meiner geliebten Couch und zieh mir die Decke über meinen malträtierten Bauch. Mein Kopf hämmert, mein Körper streikt.